Gamma- Bursts

Ein großes Rätsel gab uns der Kosmos auf, als in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zufällig durch einen Satelliten (Vela) Gammastrahlenblitze GRB (Gamma Ray Burst) entdeckt wurden. Doch es dauerte über 10 Jahre, bis man erkannte, dass diese natürlichen Ursprungs waren und in den Weiten des Alls entstanden. Man benennt die Gammabursts nach ihrem Erscheinungsdatum, indem man es an die Bezeichnung GRB anhängt. So bedeutet z.B. GRB021004, dass am 4. Oktober 2002 ein Burst beobachtet wurde.

Unterteilt werden Gammabursts in zwei Kategorien: Die kurzzeitigen blitzen nur zwischen einigen Millisekunden bis zu mehreren hundert Sekunden auf, während lange Bursts zwischen etwa 2 und 1000 Sekunden beobachtbar sind.


Gammastrahlen sind die energiereichsten Wellen des elektromagnetischen Spektrums mit den kürzesten Wellenlängen unter 0,01 [nm], ein einzelnes Gammaquant hat eine Energie von stets mehr als 100 [keV]. Die Strahlung entsteht nur bei Prozessen, in denen extrem hohe Energien umgesetzt werden. Ursachen für kontinuierliche Gammastrahlung sind beispielsweise die plötzliche Abbremsung sehr schneller Elektronen (in Synchrotronen als Bremsstrahlung bekannt) oder die Synchrotronstrahlung relativistischer Elektronen. Auch durch einen bestimmten Prozess, dem so genannten inversen Compton- Effekt wird Gammastrahlung freigesetzt, wenn energiereiche Elektronen einen Teil ihrer Energie auf Photonen übertragen (im Gegensatz dazu ist der Compton- Effekt eine Streuung von Photonen an geladenen Teilchen). Diese Vorgänge sind alle nicht thermisch. Thermische Gammastrahlung wird erst bei Temperaturen oberhalb mehrerer 100 Millionen [K] freigesetzt, ihr Anteil am Gammaspektrum ist daher nur gering. In diesem Spektrum findet man auch Emissionslinien. So liegt bei 1,8 [MeV] eine Linie, die auf radioaktiven Zerfall von Aluminium 26Al beruht, bei 68 [MeV] sieht man eine Linie durch den Zerfall so genannter Pi- Mesonen und bei 511 [keV] zeigt eine Linie die Vernichtung eines Elektron- Positron- Paars an.

Was aber haben nun diese Blitze zu bedeuten, die wir empfangen, und woher stammen sie?


Bis heute sind tausende solcher Blitze bekannt und registriert, vor allem durch das an Bord des Compton- Satelliten (CGRO, Compton Gamma Ray Observatory) installierte BATSE- Experiment. Die einzelnen Blitze treten unregelmäßig auf und sind völlig isotrop über alle Himmelsrichtungen verteilt. Durch verfeinerte Messmethoden ist ihre Position heute recht genau bestimmbar. Das Überwachungsteleskop HETE 2 (High Energy Transient Explorer) sendet sofort nach der Detektion eines neuen Blitzes dessen Koordinaten zur Erde. Von hier aus kann dann das "Nachglühen" der Gammaquelle mit optischen Teleskopen verfolgt werden.

2609 Gamma- Bursts
2609 Gamma- Bursts

2609 Gammablitze, aufgenommen mit dem CGRO (Compton Gamma Ray Observatory). Man erkennt deutlich, wie gleichmäßig die Blitze verteilt sind. Dargestellt ist eine Projektion in galaktischen Koordinaten, die Milchstraßenebene ist die horizontale Linie in der Mitte. Aus der unteren Farbskala gehen die Intensitäten der einzelnen Bursts hervor.

Mit freundlicher Genehmigung von GSFC und NASA


Würden die Gammablitze nur aus unserer Galaxie stammen, wie man zunächst glaubte, sollte ihr Auftreten eher gehäuft erscheinen. Untenstehende Animation zeigt, wie das Compton- Teleskop einen einzelnen Gammastrahlen- Blitz "sah":

Ein Gammablitz, 100 000 Mal heller als der Lichtpuls
Ein Gammablitz, 100 000 Mal heller als der Lichtpuls

Links ist das Erscheinen des Bursts innerhalb der galaktischen Koordinaten dargestellt. Man erkennt, welche Intensität der Blitz nach kurzer Zeit erreicht. In der rechten Animation ist der zeitliche Verlauf gegen die Anzahl der Impulse aufgetragen.

Mit freundlicher Genehmigung von Laura Whitlock, GSFC und NASA

Die Strahlungsintensität mancher Impulse ist höher als alle von anderen bekannten Objekten ausgestrahlten Energien. Sie übertreffen manchmal sogar die Quasare um den Faktor 10 000! Die freigesetzten Energien liegen im Bereich von 1043 bis 1045 Joule. Gammastrahlungsausbrüche sind daher die energetisch größten Vorgänge im Kosmos seit dem Urknall.

Wodurch aber können sie entstehen?


Zunächst vermutete man, dass diese Erscheinungen darauf zurückzuführen seien, dass Neutronensterne einen ihrer (möglicherweise vorhandenen) Planeten eingefangen haben. Beim Aufprall eines solch großen Körpers auf die Sternoberfläche würden rund 10 % der Planetenmasse in Energie umgewandelt. Eine andere Erklärung waren magnetische Strahlungsausbrüche, welche auf der Oberfläche alter Pulsare stattfinden könnten.

Diese Hypothesen hat man aber inzwischen beiseite gelegt. Die Ursachen der Gamma- Bursts sind inzwischen deutlich klarer geworden.

Für die Entstehung langer GRB's kommen eigentlich nur Supernovae oder Hypernovae in Betracht, den Explosionen massereicher oder sehr massereicher Sterne. Bei solchen Prozessen werden große Energien auch im Gammabereich freigesetzt. Nur bei den langen GRB's kann man ein Nachleuchten ("Nachglühen" genannt) auch im optischen Bereich mit dem Teleskop beobachten.

GRB030229 um 12:57 Uhr
GRB030229 um 12:57 Uhr
Ein außergewöhnlich heller Gammablitz, GRB 030329, wurde am 29. März 2003 im Sternbild des Löwen beobachtet. Dank des HETE- Experiments wurden die Koordinaten sofort zur Erde geleitet, weshalb diese Aufnahme 80 Minuten nach Erfassung des Bursts gelang. Der Gammablitz war eine halbe Minute lang heller als die Gammastrahlung des gesamten Universums! Es ist möglich, dass wir hier Zeuge der Geburt eines Schwarzen Loches waren, weil vermutlich die Explosion eines extrem massereichen Sterns, einer Hypernova, die Ursache des Blitzes war.

GRB030229 um 18:32 Uhr
GRB030229 um 18:32 Uhr
Nach knapp sieben Stunden ist die Quelle des Gammaausbruchs kaum noch zu erkennen. Das Besondere an diesem Burst war, dass er in einer Distanz von "nur" 2 Milliarden Lichtjahren stattfand. Das war der bisher zweitnächste Gammaausbruch, der je beobachtet wurde. Meistens kommen sie aus Entfernungen von 10 Milliarden Lichtjahren. Das Nachglühen war zu Beginn so hell, dass man es vielleicht sogar mit bloßem Auge hätte sehen können.

Mit freundlicher Genehmigung des Tokyo Tech High Energy Astrophysics Lab


Kurzzeitige GRB's müssen andere Ursachen als Hypernovae haben. Als sehr wahrscheinlich gilt hier die Verschmelzung zweier Neutronensterne oder diejenige eines Neutronensterns mit einem Schwarzen Loch, da nur bei einem solchen Vorgang so hohe Energieraten abgestrahlt werden könnten. Neutronensterne rotieren allgemein sehr schnell (siehe hierzu Pulsare) und weisen extreme Magnetfelder auf. Wenn solche Giganten kollidieren, verstärken sich die Magnetfelder noch weiter und die auftretenden, extremen Kräfte können schlagartig, im Sekundenbruchteil, soviel Energie freisetzen, wie ein Pulsar sonst nur in Millionen von Jahren emittiert. Das ergaben Computersimulationen des britischen Astronomen Stephan Rosswog von der University of Leicester.

Zudem wird bei solchen Zusammenstößen vermutlich auch eine bestimmte Menge an Material ausgestoßen, wie ein weiteres Modell erklärt, sicherlich aber weniger Materie als bei einer Supernova. Die Energieemission ist aber deutlich höher und so wird die Geschwindigkeit des abgestoßenen Materials in relativistischen Bereichen liegen. Das beschleunigte Material wird dann aber wieder im interstellaren Medium abgebremst und verwandelt einen großen Teil der (kinetischen) Energie in Strahlung. Das geschieht, weil in der Bugstoßfront die kinetische Energie auf Elektronen übertragen wird, die nun wiederum auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und dabei Synchrotronstrahlung im Gammabereich emittieren. Bei der Kollision ultrakompakter Objekte könnten auch entstehende relativistische Jets eine Schockfront im interstellaren Medium hervorrufen, aus der die Gammastrahlung hervorgeht. In Bereichen hinter dieser Front könnten energieärmere Emissionen durch den Aufprall entstehen, diese sehen wir dann als Nachglühen in den anderen Wellenlängenbereichen.


Durch die Dopplerverschiebung wird die Energie dieser Gammastrahlung in unsere Richtung noch verstärkt, und bedingt durch relativistische Effekte wird der Strahlungsausbruch dann in gebündelter Form bei uns zu empfangen sein (siehe hierzu auch Schneller als das Licht?).

Weil die Intensität und Dauer der Bursts von den Umständen bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne oder eines solchen mit einem Schwarzen Loch (ihre Massen, Aufprallgeschwindigkeiten, Materie in ihrer Umgebung usw.) abhängen und daher sehr verschieden ausfallen können, erklärt man sich damit die Unterschiede der bisher beobachteten kurzen Bursts.

Aufsummierung der Gamma- Bursts
Aufsummierung der Gamma- Bursts
Nebenstehende Aufnahme des Compton- Satelliten zeigt noch einmal die über mehrere Jahre aufgezeichneten Gamma- Bursts.

Mit freundlicher Genehmigung von GSFC und NASA


Das Hubble- Teleskop entdeckt die Quelle eines Gamma- Bursts
Das Hubble- Teleskop entdeckt die Quelle eines Gamma- Bursts
Wie bereits erwähnt führt man das Auftreten eines Gamma- Blitzes auch auf Hypernovaexplosionen, also dem Zusammenbruch supermassereicher Sterne, zurück. In diesem Bild hat das Weltraum- Teleskop Hubble die Quelle eines Gamma- Ausbruchs entdeckt. Möglicherweise ist hier ein solch massereicher Stern explodiert und hat vielleicht ein Schwarzes Loch hinterlassen. Der uns nächstgelegene Stern, dem ein solches Schicksal beschieden sein könnte, ist der 100- Sonnenmassen schwere Stern Eta Carinae, der nur rund 8000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist.

Mit freundlicher Genehmigung der STScI und NASA


Eine weitere, ältere Hypothese führt die Bursts auf das Verdampfen primordialer Schwarzer Mini- Löcher zurück. Nach der Urknallhypothese könnten sich im Anfangsstadium des Alls winzige Mini- Löcher gebildet haben. Solch ein Gebilde von Protonengröße, wenn es die Masse eines kleinen Berges (1015 [g]) übersteigen würde, könnte bis heute existieren (kleinere Löcher wären inzwischen verdampft). In dem Moment, wo es verdampft, würde es einen gewaltigen Ausbruch von Teilchen und Energie für den Bruchteil einer Sekunde geben. Ein solches Ereignis wäre durch einen Gamma- Burst gekennzeichnet und würde die Existenz der Mini- Löcher anzeigen. Allerdings konnte bis heute die Existenz primordialer Schwarzer Löcher nicht geklärt werden.

Gammastrahlen werden auch in unserer Milchstraße erzeugt, und zwar durch unterschiedliche Quellen. Stellare Quellen sind beispielsweise einige Pulsare, wie der bekannte Pulsar im Krebsnebel oder der Vela- Pulsar. Ihre Gammastrahlung ist gepulste Synchrotronstrahlung.

Ein rotierender Neutronenstern ist ein Pulsar
Ein rotierender Neutronenstern ist ein Pulsar
Ein Neutronenstern hat ein milliardenfach stärkeres Magnetfeld wie die Erde (oberes Bild). Durch seine irrsinnig schnelle Rotation werden Teilchen von seiner Oberfläche mitgerissen und entlang der Magnetfeldlinien bis in relativistische Bereiche beschleunigt. Diese geben dann einen Teil ihrer kinetischen Energie in Form von Synchrotronstrahlung wieder ab. Die Synchrotronstrahlung kann dabei im Röntgenbereich liegen, aber auch als Gammastrahlung emittiert werden. Liegt die Rotationsachse des Magnetfeldes in Richtung Erde, empfangen wir einen Gamma- Puls (unteres Bild).

Mit freundlicher Genehmigung von GSFC und NASA


Nicht unerwähnt bleiben sollen hier auch einige der wenigen eindeutig identifizierten Gamma- Quellen. Zu ihnen gehören einige Röntgen- Doppelsterne wie Cygnus X-1 und Hercules X-1. Auch in der Nähe unseres galaktischen Zentrums liegt eine Gammaquelle. Selbst unsere Sonne strahlt einen geringen Gamma- Anteil ab. Extragalaktische Quellen sind die Seyfert- Galaxie NGC 4151, die elliptische Riesengalaxie Markarian 421 und der Quasar 3C279.

Eine elegante Lösung zur Erzeugung von Gammastrahlung sind natürlich die Schwarzen Löcher. Spiralt Materie in einer Akkretionsscheibe um ein Loch, kann sie durch die extrem hohe Reibung und Beschleunigung so viel an kinetischer Energie aufnehmen, dass letzthin unter anderem auch Gammastrahlung emittiert wird. Das jedoch wohl eher nicht als Gammablitz, sondern vielmehr in Form kontinuierlicher Strahlung.

Mysteriöse Gammaquellen in unserer Galaxis
Mysteriöse Gammaquellen in unserer Galaxis
Diese Bilder geben eine Vorstellung von der Ansicht unserer Milchstraße. Links oben ist eine Computer- Animation zu sehen, welche die Milchstraße in der Draufsicht zeigt, rechts daneben sieht man sie von der Seite. Links unten sind insgesamt 271 Gammastrahlen- Quellen dargestellt, aufgenommen durch den Compton- Satelliten. Sie emittieren kontinuierlich Strahlung. Man muss sich dabei vorstellen, dass die Darstellung uns kugelförmig umgibt. Die Anhäufung der Strahlungsquellen in der Bildmitte gibt die galaktische Ebene wieder. Rechts unten sieht man ausschließlich 120 nicht identifizierte Quellen aus gleicher Untersuchung. Die Hälfte von ihnen, fast alle in der galaktischen Ebene konzentriert, mögen bekannte Objekte sein, die aber noch nicht klassifiziert werden konnten. Die andere Hälfte ist einer neuen Klasse von Strahlern zuzuordnen, die im so genannten Gould Belt liegen. Das ist vermutlich ein Ring aus jungen, sehr massereichen Sternen mit einem Durchmesser von etwa 2000 Lichtjahren (die Sonne liegt ungefähr auf halbem Weg zum Rand des Rings). Der Belt ist der Überrest irgendeines gewaltigen Ereignisses vor etwa 40 Millionen Jahren. Wenn seine Ausläufer auf Interstellare Materie treffen, wird eine hohe Bildungsrate von massereichen Sternen ausgelöst. Diese haben nur eine kurze Lebensdauer und enden in Neutronensternen oder Schwarzen Löchern. Beide sind aber potenzielle Quellen für Gammastrahlung.

Mit freundlicher Genehmigung von GSFC und NASA


Auf der Suche nach Ursachen für die langen Bursts ist man inzwischen ein gutes Stück vorangekommen. In den Spektren der beobachteten GRB's fand man häufig ausgeprägte Eisenlinien, was in der Tat auf die Explosion massereicher Sterne schließen lässt. Der Röntgensatellit XXM- Newton fand zudem Hinweise auf Schwefel, Silizium und andere schwere Elemente. Nicht zuletzt finden diese hochenergetischen Explosionen in Bereichen statt, in denen man sie auch erwartet: In Gebieten erhöhter Sternentstehung. Massereiche Sterne entwickeln sich ja sehr schnell und können sich daher bis zu ihrer Explosion kaum vom Entstehungsort entfernen.

Für die hohen Energieausstrahlungen hat man nun auch eine Erklärung parat. Massereiche Sterne sind in jedem Fall von Materiescheiben umgeben, die sie z.T. selbst durch ihren Wind erzeugen. Bei der Explosion des Sterns wird die Energie in einer Art Schale aus Teilchen zunächst "zwischengespeichert". Diese Schale expandiert mit fast Lichtgeschwindigkeit und holt die langsame Materie ein, wodurch sich beim Zusammenprall eine Stoßfront ausbildet. In dieser Kollisionszone wird nun die Energie als Gammastrahlung freigesetzt. Die Ausbreitung geschieht möglicherweise in Form von Jets, wodurch wir die Gesamtenergie um den Faktor 500 zu hoch ansetzen (ein Jet von 10° Ausdehnung würde nur etwa 1/500 des Himmels abdecken, durch die Strahlbündelung sehen wir dann auch nur jeden fünfhundertsten GRB).

Auch gibt es einen simplen Grund für die kurze Zeitdauer der GRB's: Die Explosionswelle expandiert mit fast Lichtgeschwindigkeit. Dadurch kommen relativistische Effekte zum Zug, was bedeutet, dass die Zeit für außenstehende Beobachter extrem verkürzt wird! Einen Burst, der sich vielleicht über viele Stunden entwickelt, sehen wir deshalb nur wenige Sekunden.

Zwar wissen wir längst nicht alles über Gammaausbrüche und die Explosion massereicher Sterne, vieles ist noch sehr rätselhaft. Durch ihre unermüdliche Arbeit haben die Wissenschaftler inzwischen aber einige Geheimnisse aufgedeckt, und weitere künftige, empfindlichere Observatorien außerhalb der Erdatmosphäre werden sie bei dieser Aufgabe unterstützen.