Aufbruch zu den Sternen


Teil 2: Technik der Rakete

Hülle

Triebwerk

Treibstoffe

Was unterscheidet eigentlich eine Rakete von einem Flugzeug? Neben der Eigenschaft, dass sie die Erdanziehung überwinden kann, lassen sich noch einige wesentliche Merkmale notieren:

Neben Flugzeugen und Raketen gibt es noch eine dritte Klasse von nicht an den Boden gebundenen Flugkörpern, die Geschosse. Flugzeuge und Raketen haben eine relativ lange Beschleunigungsphase, während Geschosse explosionsartig beschleunigen. Weil die Belastungen beim Start und in der Flugphase im Vergleich zu Geschossen recht gering ist, kann die Bauart der Rakete recht fragil gehalten werden. Der grundsätzliche Aufbau einer Rakete liest sich wie folgt:

Einige von uns haben sicherlich schon einmal mit selbstgebastelten Raketen experimentiert. Recht bald macht man bei solchen ersten Versuchen die Erfahrung, dass es nicht damit getan ist, einen Hohlkörper mit Schwarzpulver zu stopfen und dieses zu zünden. Eine derartige "Rakete" fliegt einem dann vollkommen unkontrolliert um die Ohren (übrigens gelten heute für diese Hobbyraketen strenge Regularien, siehe hierzu Modellrakete).
Der Flug der Rakete muss also stabilisiert und gelenkt werden. Im einfachsten Fall genügt dazu ein Holzstab, wie wir ihn z.B. an den Feuerwerksraketen finden. Für einen Raumflug ist diese Art der Stabilisierung dann doch nicht standesgemäß und man muss zur Steuerung sogar viel kompliziertere Technik als in der Luftfahrt anwenden.


Hülle

Bei der Konstruktion einer Rakete wollen wir einerseits erreichen, dass sie die Erde verlassen und sicher ihr Ziel erreichen kann, wobei sie gleichzeitig die vorgesehene Nutzlast befördert. Auf die Raketenhülle sollte deshalb möglichst wenig Masse entfallen zugunsten des Treibstoffvorrats. Sehr schnell kommt man so zur Erkenntnis, dass eine leere Hülle nur noch nutzlose Masse ist. Bei mehrstufigen Raketen stoßen wir also einfach die ausgebrannte Stufe ab, wodurch die weitere Beschleunigung noch erhöht wird wenn der erzeugte Schub gleich bleibt. Bei Raketen mit Flüssigtreibstoffen nimmt die Beschleunigung mit Abnahme der Treibstoffmasse merklich zu, während der Effekt bei Feststoffraketen nicht so ausgeprägt ist.

Für die Konstruktion des Tanks bzw. der Hülle werden wir die hierzu notwendige Masse möglichst gering halten und führen sie somit in Leichtbauweise aus. Gleichzeitig muss sie jedoch auch stabil genug sein um die Rakete zu stützen und muss resistent gegen den Treibstoff sein. Für den Flug durch die Atmosphäre werden wir zudem Flossen, auch als Finnen bezeichnet, anbringen, die ähnlich einem Leitwerk bei Flugzeugen funktionieren und die Fluglage stabilisieren.


Triebwerk

Die heute allgemein für die Raumfahrt und Satellitentechnik verwendeten Raketen verbrennen eine Stützmasse mit Hilfe von Oxidationsmitteln (Sauerstofflieferant). Das geschieht in einer Brennkammer, die im Fall einer Feststoffrakete einfach aus dem Tank besteht. Der Treibstoff brennt hier von unten nach oben ab, wobei gleich ein großer Nachteil offenbar wird: Der einmal entzündete Abbrand lässt sich nicht mehr unterbrechen. Zwar sind Trockentreibstoffe weniger aggressiv und ungefährlicher, doch bieten flüssiggetriebene Raketen deutliche Vorteile. Die Zufuhr von Treibstoff und Oxidans mittels Pumpen in die Brennkammer lässt sich nicht nur in der Menge regeln, sondern auch in der Dauer. Womit sich mehrere Brennphasen realisieren lassen. Die verbrannten Reaktionsprodukte verlassen die Brennkammer und werden durch eine Düse geleitet. Sie hat gleich mehrere Funktionen: Zunächst einmal soll sie die Austrittsgeschwindigkeit der Abgase erhöhen. Gleichzeitig steigert sie den Druck in der Brennkammer, da sie für die austretenden Gase einen Widerstand bedeutet. Durch den höheren Druck aber wird eine bessere Verbrennung gefördert.

Saturn V
Saturn V - Bild anklicken für Grundriss
Letztendlich ist der Verbund aus Brennkammer und Düse bei den meisten Raketen noch schwenkbar ausgeführt, so dass hierdurch eine Steuerung der Rakete ermöglicht wird. Eine andere Alternative zur Steuerung sind Klappen im Abgasstrom, um dessen Strömungsrichtung zu beeinflussen. Selbstverständlich müssen solche Klappen sehr hitzebeständig sein und werden deshalb meist aus keramischen Materialien gefertigt (z.B. Siliziumkarbid, SiC). Auch die übrigen Teile der Brennkammer sind hohen Temperaturen von bis zu 4000 [°C] ausgesetzt und werden deshalb gekühlt. Als Kühlflüssigkeit verwendet man einfach den Treibstoff, der somit gleichzeitig vorgeheizt wird, was wiederum einer effektiven Verbrennung zugutekommt. Nun aber müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass der (Flüssig-) Treibstoff in die Brennkammer gelangt. Das lässt sich im einfachsten Fall dadurch erreichen, dass man die Tanks mit einem Inertgas (z.B. Helium) unter so hohen Druck setzt, dass die Antriebsmassen ohne weitere Hilfsmittel bis zum Brennschluss in die Kammer fließen. Im Gegensatz zu Triebwerken, die mit Pumpen arbeiten, ist diese Methode wesentlich störunanfälliger, jedoch auch unflexibler.

Je nach Anforderung wird man dann auf die Treibstoffförderung durch Pumpen zurückgreifen. Diese Pumpen sind als Turbinen ausgeführt und können entweder gleich mit dem Raketentreibstoff betrieben werden oder mit separaten Hilfstreibstoffen. Neben dem Vorteil der besseren Steuerung von Brenndauer und Fördermengen erzeugen die Pumpen auch einen hohen Druck, der wiederum die Verbrennung positiv beeinflusst. In der Brennkammer herrscht bereits ein großer Druck, so dass die Treibstoffe einen noch höheren benötigen, um gefördert zu werden.
Die Kenngröße von Raketentriebwerken ist ihr Schub. Gemessen wird er in Kilonewton [kN = kg/ms2]. Zum Vergleich: Ein Triebwerk einer Boeing 747 bringt beispielweise einen maximalen Schub von 276 [kN] auf. Die bekannte Saturn V (nebenstehendes Bild, durch Anklicken öffnet sich ein Grundriss der Rakete mit Apollo- Mission) dagegen 40.000 [kN]. Feststoffraketen erreichen Ausströmgeschwindigkeiten der Abgase von 2450 [m/s], diejenigen mit flüssigen Treibstoffen bis zu max. 4500 [m/s].
Nun, woraus bestehen eigentlich die Treibstoffe für Raketen?


Treibstoffe

Bei einer Modellrakete ist es wichtig, dass wir das Schwarzpulver möglichst dicht in die Hülle stopfen. Nicht nur, um möglichst viel Treibstoff unterzubringen, sondern um keine Hohlräume entstehen zu lassen. Diese würden nämlich zu einer Unterbrechung des Brennvorgangs führen. Das gilt erst recht für konventionelle Raketen, wie sie etwa auf militärischem Sektor Verwendung finden.

Feste Treibstoffe

Schwarzpulver ist nun nicht der Weisheit letzter Schluss und wurde schon bald durch brisantere Stoffe ersetzt. Man unterscheidet dabei zwischen homogenen und heterogenen Treibstoffen. Als homogene finden Verwendung das Zellulosenitrat sowie Glyzerintrinitrat, besser bekannt unter dem Namen Nitroglyzerin. Ergänzt werden diese Brennstoffe noch durch Stabilisatoren und Oxidationsmittel. Schon anhand dieser Beispiele können wir erkennen, dass Festtreibstoffe "langsam" abbrennende Explosivstoffe sind. Sie erreichen Austrittsgeschwindigkeiten bis zu 2200 [m/s].

Heterogene Festtreibstoffe bestehen z.B. aus Mischungen von Ammoniumperchlorat - alternativ verwendet man auch Ammonium(Natrium)nitrat - mit Aluminiumpulver. Diese Chemikalien werden mit Kunstharzen gebunden (Polybutadiene, Polyurethane, ... als Bindesubstanz), Eisenoxid kann dazu als Katalysator eingesetzt werden. Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Mischungen, so kann man das Aluminium durch Magnesium, Lithium oder Beryllium ersetzen. Hochentwickelte Mischungen können Ausströmgeschwindigkeiten bis zu 3300 [m/s] erreichen.
Interessant sind in diesem Zusammenhang zwei Entwicklungen, zunächst Alice. Der Name ist zusammengesetzt aus Aluminium und ice, der Treibstoff besteht einfach aus Aluminiumpartikeln im Nanobereich, die zusammen mit Wasser eingefroren werden. Interessant ist dabei, dass die Rohstoffe überall im Sonnensystem zu finden sind, die Abgase relativ harmlos und die Mischung aufgrund der Temperatur leicht zu handhaben ist.

Die Feststoffraketen der Space Shuttles waren eine Klasse für sich. Diese so genannten Booster enthielten Ammoniumperchlorat als Oxidator, Eisenoxid als Katalysator und Aluminium als Treibstoff. Butadien diente dabei als Bindemittel und zugleich als Treibstoff. Ergänzt wurde das Ganze noch durch einen Epoxidharzhärter. Mit einem Startgewicht von je 590 Tonnen produzierte jede der beiden Raketen einen Schub von bis zu 14,5 [MN] (Mega-Newton!).

Fest- flüssige Treibstoffe

Für einige Zwecke werden manchmal auch Kombinationen von festen und flüssigen Treibstoffen verwendet, so genannte Hybridtreibstoffe. Hier ist der Treibstoff meist fest, besteht aus einem Kunststoff, beispielsweise auf Butadien- Basis. Der Sauerstofflieferant ist dann als flüssige Phase vorhanden, hier kommt zum Beispiel flüssiger Sauerstoff in Betracht oder N2O, verflüssigtes Lachgas. Ein Beispiel für die Verwendung von Hybridraketen stellt das SpaceShipOne dar.

Flüssige Treibstoffe

Flüssige Treibstoffe können aus 1, 2 oder 3 Komponenten bestehen, man bezeichnet sie dementsprechend als Monergole, Diergole oder Triergole. Entsprechend der Anzahl beteiligter Substanzen benötigt die Rakete ebenso viele Tanks.

Monergole

Das sind einfache Treibstoffe, von denen man keine große Antriebsenergie erwarten darf. Als Beispiel sei das Hydrazin N2H4 genannt, eine nicht ganz ungefährliche, giftige Substanz. Mit Hilfe eines Katalysators lässt sich Hydrazin in Stickstoff und Wasserstoff spalten. Man verwendet solche Antriebe in Hilfsraketen zur Lagestabilisierung von Raumflugkörpern.

Diergole

Diese aus 2 flüssigen Teilen bestehenden Treibstoffsysteme werden am häufigsten eingesetzt. Sie können Austrittsgeschwindigkeiten bis über 4000 [m/s] erreichen. Als beste Kombination hat sich das Zusammenspiel von Wasserstoff und Sauerstoff erwiesen, LOX-H2, (LOX = Liquid Oxygen, flüssiger Sauerstoff). Es liefert einen spezifischen Impuls von 3830 [Ns/kg]. Als Treibstoffe werden weiterhin eingesetzt: C2H5OH, Kennern auch als Ethanol (=Alkohol) bekannt. Wohlgemerkt: als Treibstoff für die Rakete, nicht für die Astronauten. Daneben verwendet man auch das so genannte RP-1 (Rocket Propellant 1), ein aus dem Flugzeugtreibstoff Kerosin gewonnenes Destillat. Gegenüber dem Kerosin ist RP-1 schwefelarm und wesentlich weniger aggressiv, flüssig und zudem leicht lagerfähig (was man von flüssigem Wasserstoff nicht behaupten kann). Allerdings bietet RP-1 in Kombination mit dem Oxidator LOX nur einen spezifischen Impuls von 2941 [Ns/kg]. Verwendung fand und findet dieses System z.B. in den Raketen Atlas, Delta I-III, Energija, Saturn, Sojus, Titan I u.a.

Weiterhin setzt man als Treibstoff auch auf Benzin oder das karzinogene Hydrazin N2H4 (oder einige seiner Abkömmlinge in verschiedenen Kombinationen). Als Oxidatoren kommen neben flüssigem Sauerstoff noch Wasserstoffperoxid H2O2, rauchende Salpetersäure HNO3 (RFNA: red fuming nitric acid), N2O4 (Distickstofftetroxid) und sogar flüssiges Fluor in Betracht. Letzteres wird aber aufgrund seiner Giftigkeit und Aggressivität nicht eingesetzt.

Triergole

Führt man der Treibstoffkombination LOX-H2 auch noch eine bestimmte Menge an Beryllium zu, so lässt sich der spezifische Impuls bis auf 4500 [Ns/kg] steigern. Auch kann man den diversen Treibstoffen alternativ noch Lithium oder Aluminium zuführen, wodurch jedes Mal der spezifische Impuls gesteigert wird. Zwar sind die Triergole gut erforscht, wurden aber bislang noch nicht eingesetzt aufgrund der Komplexität von Lagerhaltung und Brennstoffförderung in der Rakete.

In diesem kleinen Ausflug zur Treibstoffchemie können wir deutlich erkennen, dass die eingesetzten Substanzen meist sehr aggressiv sind, explosiv und toxisches Potential beinhalten oder nur äußerst schwer zu handhaben sind (wer von uns kann schon flüssigen Sauerstoff herstellen und lagern). Es kann daher nur eindringlich vor eigenen Experimenten mit solchen Chemikalien gewarnt werden!