Aufbruch zu den Sternen


Teil 3: Antriebe für die Raumfahrt

Elektrische Antriebe

Nukleare Antriebe

Alternative Antriebe

Himmlische Aufzüge

Mit einer Rakete wollen wir die Erde verlassen, wobei wir verschiedene Ziele verfolgen können. Denkbar ist beispielsweise die Beförderung einer Nutzlast in einen Orbit, also in eine Umlaufbahn um die Erde. Das könnten Satelliten sein zur Wetterbeobachtung, für die Kommunikation, Navigation, Forschung und zu vielen anderen Zwecken. Wir können jedoch auch Astronauten zu einer Raumstation bringen, sie zum Mond befördern oder sogar zum Mars. Oder unbemannte Raumsonden zu Planeten, Asteroiden oder Kometen. Zu überlegen gilt es auch, ob man direkt von der Erde aus starten will bzw. muss, oder ob der Start aus einem Orbit erfolgen kann.

Es gibt somit völlig unterschiedliche Motivationen zur Verwendung einer Rakete, aus denen dann auch resultiert, ob man hohe Beschleunigungskräfte anwenden kann oder nicht, ob große oder kleinere Endgeschwindigkeiten in Betracht kommen oder ob man Swing-by- Manöver durchführen möchte (bei einem solchen Manöver kann man sich durch geschickte Wahl der Bahn eines Raumfahrzeugs vom Gravitationsfeld eine Planeten einfangen lassen, wodurch man an Geschwindigkeit gewinnt oder auch abbaut).

Die heute üblichen Antriebsarten, die auf chemischen (exothermen) Reaktionen beruhen, haben wir bereits kennengelernt. Hier wird ein fester oder flüssiger Brennstoff, z.B. Zellulosenitrat oder Wasserstoff, mit einem Sauerstofflieferanten und eventuellen Katalysatoren verbrannt. Die heißen Abgase werden durch eine Düse geleitet, wodurch die Ausströmgeschwindigkeit noch erhöht wird. Chemische Antriebe erzielen zwar sehr hohe Schubleistungen, ihre Ausströmgeschwindigkeiten sind jedoch relativ gering. Mit ihnen können größere Nutzlasten direkt von der Erde in den Weltraum befördert werden.
Wenn wir aber eines Tages interplanetare Flüge unternehmen und nicht unzumutbar lang unterwegs sein wollen, müssen wir nach Alternativen suchen. Einige davon sehen wir uns gleich an. Zuvor aber noch kurz zu einer weiteren, wesentlichen Kenngröße eines Raketenmotors, dem Spezifischen Impuls:

Der (massen-) spezifische Impuls Isp einer Rakete ist die Änderung des Impulses (= Masse mal Geschwindigkeit) pro Masseneinheit des Treibstoffs. Er wird mit folgender Formel ausgedrückt:

Isp = F-·tbm = 1m · 0tbF(t)dt

Darin bedeuten:


Daraus ergibt sich als Einheit [ms], es handelt sich also um die Ausströmgeschwindigkeit der Verbrennungsgase aus dem Raketenmotor.

Allgemein wird jedoch heute der gewichtsspezifische Impuls einer Rakete verwendet, der um die Erdbeschleunigung korrigiert ist. Seine Einheit reduziert sich damit auf die Sekunde [s] und wird berechnet nach:

Isp = F-·tbm·g0 = 1m·g0 · 0tbF(t)dt

Nun aber zu den verschiedensten Antriebsmethoden:


Elektrische Antriebe

Auf den ersten Blick mag es verwunderlich klingen, dass man mit elektrischer Energie Raumschiffe durchs All navigieren kann. Wenn man aber bedenkt, dass sich mit ihr ausgewählte Stützmassen hoch erhitzen oder gar ionisieren lassen, ist der Einsatz nicht mehr so abwegig. Allerdings liefern elektrische Antriebe nur einen sehr schwachen Schub und sind daher nicht geeignet, eine Rakete von einem Himmelskörper aus zu starten. Ihre Verwendung finden sie aber beispielsweise bei der Durchführung von Bahnkorrekturen. Soll sich das Raumfahrzeug in relativer Sonnennähe aufhalten, lässt sich elektrische Energie kostengünstig durch Solarzellen bereitstellen. Für große Energien benötigt man aber Generatoren, die durch Kernenergie angetrieben werden. Hier eine kleine Übersicht der teilweise bereits im Einsatz befindlichen Antriebsarten:

TypBeschreibungAnwendungSchubSpez. Impuls [s]Beispiel
Widerstands-
Triebwerk
Treibstoff wird durch einen elektrischen Widerstand erhitztLage- und Bahnregelung150 [mN]1000 
Lichtbogen- Triebwerk Treibstoff wird durch einen Lichtbogen zwischen 2 Elektroden bis zu 5000 [K] erhitzt Lage- und Bahnregelung, Antrieb 3,5 [N] 2000  
Feldemissionstriebwerk Zwischen 2 positiv geladenen, eng benachbarten Anoden fließt ein flüssiges Metall (Cäsium) zu einer Spitze, in deren Nähe sich eine Kathode befindet. Das elektrische Feld zwischen beiden Elektroden ionisiert und beschleunigt den Treibstoff. Lagekorrekturen 1 [mN] 12 000  
Kaufmann- Triebwerk Ein Lichtbogen erzeugt ein Plasma (Xenon, Quecksilber), welches durch ein Gitter beschleunigt und dann elektrisch neutralisiert wird. Lage- und Bahnregelung, Antrieb 90 [mN] 3100 "NSTAR" der NASA:
Magnetoplasmadynamischer Antrieb Die in einem als Anode geformten Trichter befindliche Stützmasse wird mittels einer Stabkathode ionisiert, wodurch im Plasma ein Strom fließt, der ein Magnetfeld erzeugt. Durch Wechselwirkung mit einem externen Magnetfeld werden die Plasmateilchen (Argon, Lithium, Wasserstoff) stark beschleunigt. Bahnkorrektur 300 [mN] 4000
Radiofrequenz-Ionentriebwerk (RIT) Elektromagnetische Wellen erzeugen ein Plasma (Xenon), positive Teilchen werden durch ein Gitter beschleunigt, anschließend neutralisiert und ausgestoßen. Lage- und Bahnregelung, Antrieb 600 [mN] bis über 9000 "HiPEP", NASA, RIT aus Deutschland:
Hallionentriebwerk (HET) Durch einen Lichtbogen wird ein Plasma aus Xenon oder Bismut erzeugt. Elektronen bewegen sich kreisförmig in der als Ring ausgelegten Entladungskammer, die positiven Ionen werden durch den aus der Elektrotechnik bekannten Hall- Effekt ausgestoßen. Für die zurückbleibenden Elektronen wird ein Neutralisator eingesetzt. Lage- und Bahnregelung, Antrieb 68 [mN] 1640 SMART I:
Gepulstes Plasmatriebwerk Ähnelt einer Railgun, bei der ein Geschoss als stromführender Schlitten zwischen zwei Schienen beschleunigt wird. Hier aber befindet sich am Ende der Schienen ein Klotz aus Teflon, der scheibchenweise verdampft wird. Das abgestoßene Plasma erzeugt den Schub. Den zum Verdampfen notwendigen Strom liefern große Kondensatoren. Lageregelung 1 [mN] 2200  


Nukleare Antriebe

Um richtig große Schubleistungen zu erzielen müssen wir die Kernenergie in Betracht ziehen. Hier bieten sich gleich mehrere Varianten an, beispielsweise die Kernspaltung oder die Kernfusion. Allerdings sind derartige Antriebe eher theoretischer Natur, denn einerseits ist noch längst nicht geklärt, wie die Besatzung vor der Strahlung geschützt werden könnte. Andererseits verbietet vorerst der Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser den Einsatz solcher Technologie. Es ist jedoch auch nicht gänzlich auszuschließen, dass künftig solche Konzepte zu friedlichen Zwecken angewendet werden. Betrachten wir wieder kurz die Varianten in tabellarischer Form:

AntriebBeschreibungSchubSpez. Impuls [s]Beispiel
Festkernreaktor In einem Kernreaktor wird durch Kernspaltung ein durchgeleitetes Gas (Wasserstoff, Ammoniak) auf hohe Temperaturen (3000 [°C]) erhitzt und anschließend unter hohem Druck durch eine Düse ausgestoßen. 1000 [kN] 1000 Projekt NERVA der NASA
Gaskernreaktor Einem Festkernreaktor ist durch den Schmelzpunkt eine Grenze gesetzt. Je höher aber die Temperatur, umso höher auch der Schub. So denkt man gasförmige Reaktoren an, wodurch ein spez. Impuls bis zu 5000 [s] möglich ist. Problematisch ist dabei aber, dass die Reaktionsmasse mit ausgestoßen würde. bis 1000 [kN] 5000  
Radionuklidreaktor Ein Gas (Wasserstoff, Helium) strömt über ein Radionuklid, welches durch den natürlichen Zerfall Wärme freisetzt. Diese geht auf das Gas über, welches dann durch eine Düse austritt. 10 [N] 800 Projekt Poodle, USA
Nuklearer Pulsantrieb Kaum zu glauben: Bei diesem Antrieb soll alle paar Minuten am Heck der Rakete eine Kernexplosion ausgelöst werden, die das Schiff dann nach vorn katapultieren würde. Technisch wäre das durchaus machbar, Nutzlast bzw. Mannschaft würden durch "Stoßdämpfer" vor zu hohen Beschleunigungswerten geschützt. Zwar soll sich die Druckwelle der Atombombenexplosion an einem Prallteller abstützen, inwieweit das aber die Besatzung vor Strahlung schützen würde ist ungeklärt. Vorteil eines solchen Antriebs: hoher Schub und hoher spez. Impuls. bis 10 000 [kN] bis 10 000 Orion-, Daedalus- Projekt
Antrieb durch Kernfusion Wesentlich mehr an Energie als durch Kernspaltung könnte durch einen Kernfusionsreaktor freigesetzt werden. Doch leider steht uns diese Technologie noch nicht zur Verfügung. Falls es aber doch einmal möglich sein wird, könnte man mit einem so genannten Bussard- Kollektor den überall im Weltraum vorhandenen Wasserstoff einfangen und dem Reaktor zuführen. Der Kollektor wäre nichts anderes als ein riesiges Magnetfeld vor dem Raumschiff, um möglichst viel vom extrem dünnen Gas einzufangen. Die heißen Brennprodukte (z.B. Helium) könnten durch eine Düse ausgestoßen werden. Der Vorteil eines solchen Antriebs läge in einer praktisch unbegrenzten Reichweite, da nur sehr wenig Treibstoff mitgeführt werden müsste. 30 000 [N] 47 000


Alternative Antriebe

Mit den bislang vorgestellten Antrieben ist noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Findige Köpfe haben noch weitere Möglichkeiten ersonnen, mit denen man Raketen durch den Weltraum fliegen lassen könnte. Sehen wir uns noch einige dieser z.T. exotischen Alternativen an:

AntriebBeschreibungSchubSpez. Impuls [s]Beispiel
Photonenrakete Sie wurde schon von Eugen Sänger ersonnen. Der Antrieb erfolgt durch ausgestoßene Photonen. Am Ende der Rakete ist ein Schirm aus einem hitzebeständigen Material installiert, der möglichst hoch erhitzt wird. Die emittierte Schwarzkörperstrahlung sorgt für den (verschwindend geringen) Schub. Nachteil: Zum Aufheizen werden sehr hohe Energien benötigt bei nur kleinstem Wirkungsgrad. Vorteil: Sehr hohe Geschwindigkeiten bis in den relativistischen Bereich wären denkbar. 300 [mW]? ?  
Antimaterieantrieb Schon vielfach in der Science Fiction beschrieben, wird bei diesem Konzept Materie mit Antimaterie in Kontakt gebracht. Dabei vernichten (annihilieren) sich z.B. Protonen und Antiprotonen gegenseitig und setzen dabei ihre Ruheenergie völlig frei. Prinzipiell ein einfacher Prozess, man könnte in eine Wolke aus Protonen (oder z.B. Wasserstoff) geringe Mengen an Antiprotonen (Antiwasserstoff) einleiten, die Paarvernichtung würde sofort einsetzen. Höchst problematisch ist dabei allerdings die Bereitstellung der Antimaterie. Wir sind technisch nicht in der Lage, größere Mengen (einige Gramm!) herzustellen. In den Beschleunigern können immer nur einzelne Teilchen erzeugt werden. Auch für die Lagerung gibt es keine technische Lösung. 100 [kN] 400 000  
Fissionssegel Eine (größtmögliche) Fläche wird mit einem radioaktiven Material beschichtet, welches einen α- Strahler darstellt. Die in nur einer Richtung davoneilenden Heliumkerne verursachen den Rückstoß. Nachteil: Ein "Nachtanken" gestaltet sich schwierig. 10 [N/km2] 40 000  
Nukleare Salzwasser- Rakete In Wasser werden radioaktive Salze von Uran oder Plutonium gelöst. Die Lösung wird in getrennten Tanks aufbewahrt, so dass die kritische Masse stets unterschritten ist. Die Wände der Tanks dienen gleichzeitig der Neutronenabsorption. In der "Brennkammer" wird das Wasser so eindosiert, dass dort die kritische Masse erreicht wird und die nukleare Kettenreaktion einsetzt. 10 [MN] 10 000  


"Himmlische Aufzüge" & Co.

Bisher haben wir betrachtet, wie man einen Körper im Weltraum antreiben kann. Es werden aber auch - teilweise exotische - Methoden angedacht, wie man von einem Himmelskörper aufsteigt ohne einen üblichen Raketenantrieb.

MethodeBeschreibung
Weltraumlift In diesem Konzept, welches ernsthaft diskutiert wird, verankert man eine Art Seil am Erdboden, während sich ein Gewicht (eine Gegenstation) etwas jenseits der geostationären Bahn befindet. Durch die Zentripetalkraft würde das Seil so stabilisiert, dass man daran einen Transportkorb nach oben befördern könnte. Problematisch ist die Materialfrage. Die notwendige Festigkeit könnte aber durch moderne Materialien wie z.B. Kohlenstoff- Nanoröhrchen erreicht werden. Es müssten jedoch noch viele weitere Probleme gelöst werden, z.B. Energieversorgung des Fahrstuhls, Absturzsicherungen, Notfallsysteme usw.
Weltraumkanone Schon Jules Verne wählte die hammerharte Methode, um von der Erde fortzukommen. Eine Nutzlast wird dabei in einer Art Kanone wie ein Geschoss so stark beschleunigt, dass es die Erdanziehung überwindet. Für Lebewesen nicht geeignet, könnte so aber Material in den Orbit geschossen werden. Bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden hierzu ernsthafte Versuche unternommen und schon Höhen von 180 [km] erzielt. Heute versucht die Firma Quicklaunch das Verfahren weiter zu entwickeln.
Massetreiber Massetreiber funktionieren im Prinzip wie ein Linearmotor. Beispielsweise auf Mond oder Mars errichtet dient ein solches schienenartiges, elektromagnetisches Katapult auch hier dem Zweck, eine Nutzlast (Kabine) so weit zu beschleunigen, dass sie bis in den Orbit gelangt. Auch dieses Projekt wird ernsthaft erforscht (SSI). Im Gegensatz zur Weltraumkanone könnten mit Massetreibern bei vorsichtiger Beschleunigung auch Passagiere befördert werden.

Wie wir sahen gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Raumfahrzeuge ins All zu befördern und sie dort zu bewegen. Viele dieser Methoden sind als realistisch anzusehen und nach heutigen Erkenntnissen technisch umsetzbar, wenn sie auch teilweise recht exotisch klingen. Nicht aufgeführt sind Reisen mittels Warpantrieb oder durch Wurmlöcher, auch keine Antigravitationslifte und auch nicht das Beamen. Derlei überlassen wir vorerst der SF- Literatur und künftigen Superzivilisationen.