Supernovae

Massereiche Sterne
Supernova SN 1987A
Supernova SN I
Supernova SN II
Neutrinos
Paarinstabilitäts- Supernova (PISN)

Massereiche Sterne

Sterne, deren Masse um ein Vielfaches größer ist als die unserer Sonne, verbrauchen ihren Kernbrennstoff sehr schnell. Druck und Temperatur im Sternzentrum sind von Beginn an viel höher, weshalb die Kernfusionen deutlich rascher ablaufen. Der Gravitationskollaps am Lebensende eines solchen Giganten ist dann eine wirkliche Katastrophe. Sonnenähnliche Sterne können sich noch langsam und relativ undramatisch zu Weißen Zwergen entwickeln, sie können später noch einmal um den Faktor 10 000 heller erstrahlen, wenn aus ihnen eine Nova entsteht.

Die gewaltige Explosion eines massereichen Sterns zur Supernova (Mehrzahl: Supernovae, sprich "Supernovä") jedoch ist tagelang milliardenfach heller als der Ursprungsstern, ja er leuchtet heller als die gesamte, aus Milliarden von Einzelsternen bestehende Galaxie! In dieser mehrere Tage andauernden Phase kann so viel Energie abgestrahlt werden, wie unsere Sonne in ihrer gesamten, etwa 10 Milliarden Jahre währenden Lebensspanne erzeugt (etwa 1044 [J]!).

Dem alternden Stern bieten sich am Ende mehrere Möglichkeiten, die nur von seiner Masse abhängen. Beim Massebegriff stoßen wir jedoch schon auf die erste Hürde: welche Masse ist gemeint, die Anfangsmasse, die Masse des kollabierenden Kerns oder die gesamte Endmasse des Sterns? Schließlich verliert jeder Stern im Laufe seiner Existenz Materie, z.B. in Form von Sternwinden. Betrachten wir zunächst die Ausgangsmassen der so genannten Vorläufersterne, also den Sternen, die dem Endstadium voraus gehen:

Nun mag man sich wundern, Sterne von 260 Sonnenmassen, wo doch auf dieser Homepage stets nur eine Massenobergrenze für Sterne von etwa 120 bis 140 Sonnenmassen genannt wird? Nun, dazu später mehr.
Wesentlich für das "Endergebnis" ist die Masse des kollabierenden Kerns im Sternzentrum, hier haben wir die 3 schon bekannten Möglichkeiten:

Eine Ausnahme bilden wieder die Paarinstabilitäts- Supernovae, die noch zu besprechen sind.


Supernova SN 1987A

Dramatische Ereignisse wie Supernovae wurden früher überaus selten entdeckt, und so setzte man zur Benennung nach SN und der entsprechenden Jahreszahl einfach einen fortlaufenden Buchstaben, z.B. SN 2003F. 1954 wurden jedoch zum ersten mal mehr als 26 Ereignisse gezählt, seitdem wird ab der 27. Supernova der Großbuchstabe durch 2 Kleinbuchstaben ersetzt, also von "aa" bis "zz". 2006 wurde bis 551 gezählt, was dann die Bezeichnung SN 2006ue ergab. Meistens sind massereiche Sterne in großen Entfernungen explodiert wenn wir sie entdecken und es war schon ein großes Glück für die Astronomen, als am 23. Februar 1987 in der Großen Magellanschen Wolke eine Supernova, SN 1987A, aufleuchtete, die während ihrer gesamten Entwicklung beobachtet werden konnte. Zumal der Vorläuferstern, ein Überriese der Spektralklasse B3 mit Namen Sanduleak -69° 202a, recht gut bekannt und nicht allzu weit von uns entfernt war (der Name stammt von einem Verzeichnis heißer, blauer Sterne von Nicholas Sanduleak). SN 1987A erstrahlte in den Außenbereichen des Tarantel- Nebels in 168 000 Lichtjahren Entfernung derart hell, dass sie auf der Südhalbkugel mit bloßem Auge sichtbar war.

Die Supernova 1987A
Die Supernova 1987A
Die Supernova 1987A in der Großen Magellanschen Wolke (in der Bildmitte). Die Überreste des ehemaligen Blauen Riesen sind umgeben von einem inneren und einem äußeren Ring aus abgestoßenem, gasförmigem Material und eingebettet in diffuse Wolken dünnen Gases.

 

Zentrum der Supernova
Zentrum der Supernova
Im Ausschnitt sieht man noch einen Ring im Zentrum, das ist eine weitere Schale heißer Materie, welche vom Explosionszentrum wegdriftet. Die beiden Sterne sind Vordergrundsterne unserer Milchstraße. Die Sterne in der Umgebung der Supernova sind ebenfalls Blaue Riesen und sie sind damit weitere Kandidaten für eine Supernova, weil sie derselben Generation angehören. In den großen Gaswolken des linken Bildes findet auch jetzt noch heftige Sternentstehung statt.

 

Hubble- Sequenz
Hubble- Sequenz
Hier sehen wir eine Sequenz von Hubble- Bildern. Sie zeigen uns den Aufprall der von der Supernova ausgestoßenen Hüllenreste auf die vom Stern etwa 20 Jahre zuvor abgeblasene Materie. Der Vorläuferstern der SN 1987A besaß ursprünglich eine 17- fache Sonnenmasse, zum Zeitpunkt der Explosion wird in seinem Innern ein Eisenkern von rund 1,5 Sonnenmassen mit einer Temperatur von 10 Milliarden [K] (!) verborgen gewesen sein, der schlagartig implodierte. Rätselhaft ist noch heute, dass bislang kein Neutronenstern bzw. Pulsar im Explosionszentrum gefunden wurde. Entweder versteckt er sich hinter sehr dichten Staubwolken, oder Materie fiel zurück auf den Neutronenstern, der darauf hin zum Schwarzen Loch kollabierte.

Mit freundlicher Genehmigung AURA/STScI und Hubble Heritage Team.

SN 1987A im Jahr 2014
SN 1987A im Jahr 2014
Gesucht hatten die Astronomen schon sehr früh nach dem Staub, den eine Supernova der Theorie nach ins All blasen soll. Gefunden wurde er auch tatsächlich, allerdings anfangs nur geringe Mengen heißen Staubes. Doch Beobachtungen mit ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array), einem Verbund vieler Radioteleskope in Chile, zeigten nun große Mengen an kaltem Staub, der von der Supernova stammt. In diesem kombinierten Bild zeigen die ALMA- Daten in Rot den Staub an, der im Millimeter- und Submillimeter-Wellenlängenbereich strahlt, Daten des Hubbleteleskops sehen wir in Grün, während die Bildanteile der Chandra- Sonde blau erscheinen. Etwa 1/4 Sonnenmasse an Staub emittierte die Sternexplosion und unterstrich damit einmal mehr, dass alles, woraus Planeten und auch wir bestehen, einst in Sternen erbrütet wurde.

Mit freundlicher Genehmigung von ALMA (ESO / NAOJ / NRAO) / A. Angelich. / NASA/ESA (Hubble) / NASA Chandra X-Ray Observatory

Man unterscheidet Supernovae grob in zwei Klassen (weitere Unterklassen siehe im Text), die Typen SN I und SN II:


Supernova Typ SN I

Weiße Zwerge sind die Überbleibsel ehemaliger massearmer Sterne wie der Sonne. In ihnen sind etwa 1 bis max. 1,46 Sonnenmassen auf Erdgröße komprimiert und sie bestehen aus Kohlenstoff und Sauerstoff1. Sich selbst überlassen, strahlt dieser unheimlich kompakte Körper lediglich die ihm innewohnende Wärme über Jahrmilliarden ab - ansonsten bleibt er völlig passiv und unveränderlich. Seine Geschichte kann aber einen ganz anderen Verlauf nehmen, ist er Begleiter eines anderen Sterns, von welchem er Materie absaugen kann! Das Szenario ist ähnlich wie bei den Novae: in einem Doppelsternsystem wird beispielsweise ein Roter Riesenstern von einem Weißen Zwerg begleitet. Der kompakte Zwergstern saugt von seinem Begleiter ständig Materie ab, weil dieser seine Rochesche Grenze überschritten hat. Sie spiralt dann in einer Akkretionsscheibe auf den Zwerg herunter, dessen Masse dementsprechend laufend zunimmt.

1Es gibt auch Weiße Zwerge, die aus Helium bestehen. Mit einer Masse von nur etwa 0,4 Sonnenmassen können sie jedoch nicht, trotz Akkretion, bis zur Chandrasekhar- Grenze von 1,46 Sonnenmassen "reifen". Weißen Zwergen, bestehend aus Sauerstoff, Neon und Magnesium, fehlt der zur Zündung notwendige Kohlenstoff. Diese beiden Unterarten können damit nicht als SN Ia explodieren.

Zwar schleudert der Weiße Zwerg einen Teil der Materie während der Nova- Explosionen in den Raum, wenn sich genügend Wasserstoff auf seiner Oberfläche ansammelte und dann schlagartig fusionierte. Auf Dauer gesehen wird er aber an Substanz zunehmen, da ein Rest an Helium- Asche zurück bleibt. Im Laufe der Zeit steigen damit seine Dichte und seine Temperatur, während sein Durchmesser schrumpft. Noch bietet das entartete Elektronengas der einwirkenden Gravitation neutralisierenden Gegendruck, aber nach Überschreiten der Chandrasekhar- Grenze von max. 1,46 Sonnenmassen funktioniert das nicht mehr.
Die Bedingungen im Stern haben sich so weit verändert, dass Kohlenstoff und Sauerstoff zu Silizium, Schwefel, Kalzium und Argon fusionieren und sogar zu Eisen, Nickel und Kobalt. Dies kann durch zwei verschiedene Vorgänge erfolgen:

Supernovae in NGC 664
Supernovae in NGC 664
Gleich zwei Supernovae sind in der 300 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie NGC 664 explodiert. In relativer Nachbarschaft gingen hier zwei Bomben hoch, von denen jede eine Sprengkraft von 1030 Megatonnen TNT (!) besaß. Diese Aufnahme besitzt Seltenheitswert, denn normalerweise ist in einer Spiralgalaxie nur alle 25 bis 100 Jahre eine Supernova zu beobachten. Das Blau der einen Supernova ist begründet in einer wesentlich höheren Temperatur.

Mit freundlicher Genehmigung von C. Hergenrother, Whipple Observatory, P. Garnavich, P.Berlind, R.Kirshner (CFA)


Die Temperatur in der Kernzone ist auf 400 Millionen [K] angestiegen und der Kohlenstoff (12C) zündet. Die bei dieser thermonuklearen Reaktion freigesetzte Energie heizt nun das entartete Gas des Sterns auf, aber es dehnt sich nicht aus, wie es ja ein normales Gas tun würde, sondern bleibt von der ansteigenden Temperatur unbeeindruckt. Dadurch finden die Fusionen in noch schnellerer Folge statt, denn sie werden naturgemäß durch hohe Temperaturen begünstigt.

Innerhalb von Sekundenbruchteilen steigt die Temperatur sprunghaft auf einige Milliarden [K] im Zentrum an und alles vorhandene Brennmaterial wird in Nickel (56Ni) umgewandelt. Nun wandert die Fusionswelle immer weiter nach außen. Ihr läuft eine Druck- bzw. Stoßfront voraus, wodurch sofort neue Kernverschmelzungen zünden. Je weiter die Front jedoch nach außen gelangt (mit einem Tempo von bis zu 1000 [km/s]), umso verdünnter werden die einzelnen Schichten und auch der Grad der Entartung nimmt ab. In Zonen geringerer Dichte wird Silizium in großen Mengen erzeugt.

Die Verbrennung wird immer weniger vollständig, und die äußeren Schichten werden durch die Stoßfront völlig unverändert in den Raum geblasen. Da der Stern nur einen Radius von 3000 [km] besaß, ist der gesamte Vorgang nach drei Sekunden abgeschlossen, die größte bekannte Kernexplosion ist erfolgt. Der Kollaps zum Neutronenstern wird durch die thermonukleare Supernova SN Ia verhindert.

Supernova 1994 in  NGC 4526
Supernova 1994 in NGC 4526
1994 ereignete sich in der äußeren Randregion der diskusförmigen Galaxie NGC 4526 eine Supernovaexplosion (der helle Stern links unten). Sie war vom Typ SN Ia, wie die Astronomen aus der Lichtkurve ableiten konnten. Diese Supernovae sind für die Wissenschaftler nicht nur hinsichtlich der Entwicklung der Sterne interessant, sondern sie dienen auch als so genannte Standardkerze zur Entfernungsbestimmung. Dies deshalb, weil hier immer wieder derselbe Sterntypus explodiert, die Helligkeit der Supernova darum stets gleiche Werte aufweist und sich der Supernovatyp eindeutig anhand der Lichtkurve identifizieren lässt.

Mit freundlicher Genehmigung von High-Z Supernova Search Team, HST, NASA

Lichtkurve einer SN I
Lichtkurve einer SN I

Die Abbildung zeigt beispielhaft die Lichtkurve einer Supernova SN I. Der Weiße Zwerg existiert jetzt nicht mehr, seine gesamte Materie wurde ins All geblasen. Die expandierende Hülle verliert nach und nach ihre Leuchtkraft, die sich aber noch zweimal gegen das absolute Ende aufbäumt: Das bei der Explosion gebildete Nickel- Isotop (56Ni) ist nicht stabil (Halbwertszeit 6 Tage) und zerfällt bald in Kobalt (56Co, Halbwertszeit 77 Tage) unter Abgabe eines Gamma- Photons. Dieses kann aber die expandierende Hülle nicht einfach verlassen, sondern überträgt seine Energie auf mit ihm zusammenprallende Teilchen.

Dadurch heizt sich die Hülle noch weiter auf und strahlt für kurze Zeit so hell wie 5 Milliarden Sonnen. Bald zerfällt auch das Kobald-56, welches ebenfalls nicht stabil ist, in das stabile Eisen-56 56Fe, wobei wiederum ein Gamma- Quant frei wird und die Hülle ein letztes mal aufheizt.

Neben dem beschriebenen Typ SN Ia, der in seinem Spektrum Silizium enthält, unterscheidet man noch die siliziumfreien Spektren von SN Ib mit viel Helium, Typ Ibn (starke, schmale Wasserstofflinien) und SN Ic mit wenig Helium. Daneben sei noch der Typ Ib/c pec pec = peculiar,engl. "ungewöhnlich" erwähnt, der sehr breite Spektrallinien aufweist, die auf extreme Expansionsgeschwindigkeiten bzw. Explosionsenergien hinweisen. Dieser Typ wird den Hypernovae zugeordnet.

Betrachten wir noch kurz, welche Vorläufer für eine Supernova SN Ia in Betracht kommen:

Tychos Supernova
Tychos Supernova
Je nachdem, welchen Vorläufer die Supernova hat und in welcher Geschwindigkeit die Fusionen ablaufen (z.B. könnte bei zunächst einsetzender Deflagration der Stern etwas expandieren, wodurch die Detonation etwas "sanfter" verläuft und weniger Nickel erzeugt wird), wird man Unterschiede in der Helligkeit finden. Von den hellsten bis zu den lichtschwächsten SN Ia- Ereignissen liegt ein Faktor von 20. Dennoch können die Astronomen die thermonuklearen Explosionen wie beschrieben als Standardkerze verwenden. Im Laufe vieler Beobachtungen hat man nämlich eine enge Beziehung zwischen der maximalen Helligkeit und dem Andauern hoher Leuchtkraft gefunden, die sich in einer Korrekturformel (der so genannten Phillips- Relation) niederschlug. Wenn auch die genauen Abläufe bei einer SN Ia- Explosion noch nicht im Detail bekannt sind, so haben die Wissenschaftler dennoch damit ein sehr präzises Instrument zur Bestimmung selbst größter Entfernungen zur Verfügung.

Im Bild sehen wir das, was von der Supernova übrig ist, die Tycho Brahe vor über 400 Jahren beschrieb. Dieses Foto ist zusammengesetzt aus Aufnahmen des Chandra- Röntgenteleskops, einer Infrarotaufnahme des Spitzer Weltraumteleskops und einem optischen Bild des Calar Alto- Teleskops in Südspanien. Der Vorläuferstern wurde bei der Explosion vollständig zerstört - hier haben wir eine weitere SN Ia vor Augen.

Mit freundlicher Genehmigung von NASA/CXC/SAO; Infrared: NASA/JPL-Caltech; Optical: MPIA, Calar Alto, O. Krause et al.


Supernova Typ SN II

Während eine Supernova des Typs I eine thermonukleare Explosion ist, bei welcher der Stern restlos zerfetzt wird, sind Supernovae der Typenklasse II etwas ganz anderes. Hier ist die treibende Kraft nicht wie zuvor eine explosionsartige Fusion von Atomkernen, nein, jetzt spielt freigesetzte Gravitationsenergie eine tragende Rolle.
Wenn ein massereicher Stern das Ende seiner thermonuklearen Brennphase erreicht, weist er in seinem Innern einen kompakten, etwa erdgroßen Kern aus Eisen und Nickel auf, der nicht weiter fusionieren kann. Seine Masse liegt bei etwa 1 bis 1½, maximal bei ca. 1,8 oder sogar etwa 3 Sonnenmassen (die so genannte Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Grenze lag ursprünglich bei etwa 0,7 Sonnenmassen, das ist inzwischen aber widerlegt). Genau weiß man es nicht, auch ist die Massenbestimmung der hieraus entstehenden Neutronensterne höchst schwierig und unsicher. In den umgebenden Schalen laufen noch verschiedene Kernprozesse ab, u.a. das Siliziumbrennen in der den Kern überlagernden Schale. Hier wird noch weiter Eisen erzeugt, welches letztendlich die Masse und die Temperatur des (entarteten!) Kerns weiter erhöht. Die Elektronen und (Eisen-) Ionen vollführen bei bis zu 10 Milliarden Kelvin oder mehr einen wahrlich verrückten Tanz, der den Kollaps noch eine Weile hinauszögert. Doch weil im Zentrum keine Energie mehr freigesetzt wird, quetscht die Eigengravitation des Sterns den Kern unerbittlich zusammen - ein jähes Ende ist jetzt unausweichlich.

Lichtkurve einer SN II
Lichtkurve einer SN II
Die Helligkeitskurve einer SN II ist wesentlich unregelmäßiger als beim Typ SN I. Nach dem Maximum folgt ein steiler Abfall über ca. 25 Tage. Sodann bleibt die Helligkeit 50 bis 100 Tage etwa konstant, worauf sie wieder steil abfällt. Bei den Supernovae SN II unterscheiden wir folgende Typen:

 

Rho Cassiopeia - so könnte sein Ende aussehen
Rho Cassiopeia - so könnte sein Ende aussehen
Im Sternbild Kassiopeia, welches das bekannte W ans Firmament schreibt, finden wir den Stern ρ cas (rho Cassiopeia, siehe Sternbild im Bild weiter unten). Das ist ein gelber Hyperriese, eine recht seltene Spezies, die am Ende ihrer stellaren Entwicklung angekommen ist. Nur sieben dieser 20 bis 40 Sonnenmassen schweren Sterne gibt es in unserer Galaxis. Rho cas zeigt etwa alle 50 Jahre starke Materieausbrüche, bei denen er jeweils rund 0,1 Sonnenmassen in Form einer expandierenden Gashülle verliert. Allerdings scheint die letzte abgestoßene Hülle aus dem Jahr 2000 wieder zu kollabieren. Alles deutet darauf hin, dass dieser ehemals 40 Sonnenmassen schwere Stern als Supernova explodieren wird (obere Darstellung), wahrscheinlich ist sogar inzwischen bereits ein Schwarzes Loch aus ihm entstanden und er existiert nicht mehr. Man kann den Stern trotz seiner Entfernung von 10 000 Lichtjahren mit bloßem Auge erkennen (Helligkeit 4m5), weil seine Leuchtkraft über 1/2 Million mal größer als die der Sonne ist.

Bis zur vollständigen Umwandlung des Sternzentrums in Eisen- und Nickelionen hatten Gas- und vor allem Strahlungsdruck der nach innen einwirkenden Gravitation Einhalt geboten. Eisen aber kann nicht weiter fusionieren, so dass durch den Wegfall des Energienachschubs der Kern immer mehr zusammengequetscht wird. Es kommen nun verschiedene Prozesse zum Zug, die das Ende des Sterns einläuten.
Bei Sternen, deren Anfangsmasse bis etwa 10 Sonnenmassen groß war, werden bei bis zu 10 Milliarden Kelvin entsprechend einer Dichte von über 109 [g/cm3] die Elektronen im Kern derart energiereich, dass Protonen beginnen sie einzufangen: Es bilden sich daraus Neutronen, man spricht von einsetzender Neutronisierung:

e- + p n + ve

Neben den Neutronen entstehen dabei auch Elektronneutrinos, die ungehindert und fast lichtschnell den Kern verlassen. Auf diese Weise wird ihm Energie entzogen, dadurch ergibt sich ein Abfall des Drucks im Zentrum: Die Neutrinoverluste sind damit die Ursache für den jetzt einsetzenden Kollaps. Nach und nach werden die Atomkerne immer mehr mit Neutronen angereichert. Normalerweise würde ein Neutron durch den Betazerfall wieder in ein Proton, ein Elektron und ein Elektronneutrino zerfallen. In dem gerade entstehenden Protoneutronenstern ist aber die Fermienergie des entarteten Elektronengases ähnlich hoch wie die Zerfallsenergie der Neutronen, so dass sie sich nicht aufspalten. Anders ausgedrückt: Die Elektronen haben alle Quantenzustände bis zur Fermienergie besetzt, ein beim Betazerfall entstehendes Elektron hätte keinen Platz mehr im Phasenraum.

Ein Beispiel für die fortschreitende Neutronisierung ist ein Eisenion, das auf diese Weise immer weiter umgewandelt wird, zunächst in Mangan, dann in Chrom:

Fe2656+e- Mn2556+e-Cr2456

Die Atomkerne werden somit sukzessive durch den ansteigenden Druck immer neutronenreicher. Am Ende besteht der kollabierte Kern überwiegend aus Neutronen, die jetzt als entartetes Neutronengas den weiteren Zusammenbruch schlagartig beenden - ein Neutronenstern ist entstanden.

Sternbild Kassiopeia
Sternbild Kassiopeia mit Gelbem Hyperriesen rho Cassiopeia

Mit freundlicher Genehmigung von David Aguilar, Harvard- Smihtsonian Center for Astrophysics


Sterne, die schwerer sind, bis zu 100 Sonnenmassen, haben zuletzt eine Temperatur deutlich über 10 Milliarden [K]. Der Kern ist plötzlich so stark komprimierbar, dass er im Freien Fall in sich zusammen stürzt. Bei den jetzt herrschenden Temperaturen sind die im Kern vorhandenen Gamma- Quanten derart reaktiv, dass sie die Eisen- und Nickelkerne in Alphateilchen (= Heliumkerne, 2 Protonen und 2 Neutronen) sowie in Neutronen und Protonen zertrümmern. Man nennt dies Fotodissoziation - Aufspaltung von Teilchen durch Photonen (auch als Fotodesintegration bezeichnet). Die Dichte im Kern beträgt jetzt unvorstellbare 10 Milliarden Gramm pro Kubikzentimeter. Durch diese Reaktionen wird dem Kern wiederum Energie entzogen - der Gegendruck zur Gravitation verringert sich. Die immer größer werdende Anzahl freier Protonen sorgt für einen Anstieg der Elektroneneinfänge, wodurch sich die Zahl der Neutrinos potenziert gemäß

e- + p n + ve

Die Abstrahlung von Neutrinos bedeutet für den sterbenden Stern, dass Energie fortgetragen wird und damit eine Kühlung des Zentrums eintritt. Doch je weiter der Kern kollabiert, umso schwieriger wird es auch für die Neutrinos, diesem zu entweichen. Beträgt die Dichte zu Beginn des Schauspiels etwa 1010 [g cm-3], so können die Neutrinos noch ungehindert passieren. Steigert sie sich durch die Kontraktion auf 1012 [g cm-3], so kollidieren die superleichten Teilchen (Neutrinos sind wie Elektronen Leptonen) ständig mit Ionen (Atomkernen). Durch diese Streuung werden sie nun am Verlassen des Zentrums gehindert und von der kollabierenden Sternmaterie mitgerissen. Man spricht hierbei vom so genannten Neutrinotrapping (engl. trap, die Falle). Noch aber gelingt es so manchem Neutrino, das Szenario auf vielerlei Umwegen zu verlassen und damit Energie abzuführen. Der Kollaps läuft dadurch immer schneller ab.

Der gesamte Vorgang währt nur eine zehntel Sekunde, der Kern ist so weit kollabiert, dass er praktisch nur noch aus Neutronen und Protonen, umgeben von Elektronen, in dichtester Packung besteht und seine Dichte diejenige von Kernteilchen noch übertrifft: 3 x 1014 [g cm-3]. Ein Teelöffel dieser "Kernteilchensuppe" wiegt somit mehr als 100 Millionen Tonnen! Jetzt aber kommt der Kollaps schlagartig zum Stillstand, da die Teilchen in der dichtesten Packung vorliegen und nicht weiter komprimierbar sind. Wir haben es nun nicht mehr nur mit einer Entartung des Gases zu tun, denn jetzt stemmt sich die starke Kernkraft gegen die übermächtig gewordene Gravitation und verhindert jede weitere Kontraktion. Aus dem ehemals über erdgroßen, eisernen Sternzentrum hat sich ein Protoneutronenstern von nur noch etwa 200 [km] Durchmesser gebildet, dem Vorläuferstatus des späteren Neutronensterns. Die hochkomprimierte Materiekugel ist in diesem Zustand unvorstellbare 150 Milliarden Kelvin heiß!

Supernovaüberrest Cassiopeia A
Supernovaüberrest Cassiopeia A
In nur 11 000 Lichtjahren Entfernung sehen wir den Überrest einer Supernova im Sternbild Cassiopeia (Cas A). Vor 330 Jahren flammte sie als "neuer Stern" am Firmament auf. Die Explosionsreste überspannen heute ein Gebiet von 15 Lichtjahren Ausdehnung. Im Zentrum der expandierenden Gaswolke, hier in einer Kombination von Röntgen- und sichtbarem Licht, befindet sich ein Neutronenstern. Dieser Überrest des ehemaligen Sterns ist zwar noch so heiß, dass er überwiegend im Röntgenlicht strahlt. Doch kühlt er rapide ab. Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass dieser ehemalige Kern aus supraflüssiger Neutronenmaterie besteht, die völlig bar jeglicher Reibung ist.

Durch das Fehlen des Energienachschubs aus dem Zentrum kommt der Stern nun vollkommen aus dem hydrostatischen Gleichgewicht. Erst jetzt nämlich "merken" die umgebenden Schichten, dass ihnen quasi der Boden unter den Füßen weggezogen wurde und der Rest des Sterns beginnt, im Freien Fall auf die Kernregion hinunter zu stürzen. Der kollabierende Kern stürzt über seine Endlage hinaus und schnellt dann zurück wie eine extrem gespannte Feder. Die mit Überschallgeschwindigkeit herabfallenden Massen werden jedoch schlagartig beim Auftreffen auf das superharte Zentrum gestoppt und umgelenkt. Tief im Innersten des Kerns wird dabei eine Stoßfront erzeugt, die sich nun ihren Weg durch eine Sonnenmasse hochkomprimierter Eisen- und Nickelionen bahnen muss. Das Plasma heizt sich dabei so stark auf, dass hochenergetische Gammaphotonen entstehen, die wiederum durch Fotodissoziation die Atomkerne in freie Neutronen und Protonen zertrümmern. Das verbraucht einerseits wieder enorme Energien, andererseits werden Unmengen an Neutrinos erzeugt.

Mit freundlicher Genehmigung von NASA / CXC / UNAM / Ioffe / D.Page, P.Shternin et al; NASA / STScI

Erreicht die Stoßfront die äußeren Bereiche des Kerns wird die Dichte gering genug, dass die Elektronneutrinos schlagartig entweichen können. Das wiederum entzieht dem Kern weitere Energie, wodurch die Stoßfront zum Stillstand kommt - Materie der umgebenden Schalen fällt weiter auf den entstehenden Neutronenstern. Das alles dauert gerade einmal eine hundertstel Sekunde!


Wie aber kommt es nun überhaupt zur Explosion des Sterns, wenn doch die Stoßfront zum Stillstand kam? Des Rätsels Lösung liegt nochmals in den leichtesten und am wenigsten reaktiven Teilchen, den Neutrinos. Diese sorgen in den Außenbereichen des Kerns für eine "Kühlung", da sie dort enteilen können und so (umgewandelte Gravitations-) Energie forttragen. Schon nach einer zehntel Sekunde wird die zum Stillstand gekommene Stoßwelle durch die Neutrinos aufgeheizt - sie werden durch die Neutronen und Protonen eingefangen. Das so hocherhitzte Plasma steigt in Blasen auf - so wie die Blasen in kochendem Wasser - während kälteres Material nach unten sinkt. Dies wiederum wird durch das Neutrinoheizen spezifisch leichter und steigt auf, es beginnt ein immer heftiger werdendes "Kochen" und "Brodeln". Es endet in wilden Schwingungen, die nun das ursprünglich nach unten herabregnende Material nach außen treiben. Seit dem Stillstand der Stoßfront bis jetzt ist nicht mal eine Sekunde vergangen.

Jetzt durchläuft die Stoßwelle mit bis zu mehreren 10 000 [km/s] die Hülle des Sterns und erhitzt dabei das Plasma. Erst nach mehreren Stunden oder sogar Tagen (man bedenke die Ausmaße eines Sterns von Millionen oder gar Milliarden Kilometern ) ist die eigentliche Supernovaexplosion zu sehen, wenn die gesamten Hülle in einer finalen Detonation abgestoßen wird. In den einzelnen Schalen des Sterns werden durch die Kompressionen der Stoßfront (Dichte- und Temperaturerhöhung) weitere, blitzartige Kernfusionen gezündet, wobei Elemente vom Helium bis zum Nickel (56Ni) entstehen. Das erhöht zusätzlich die Geschwindigkeit der Druckwelle und am Ende entfliehen die Gasmassen mit Millionen von Kilometern pro Stunde dem Ort des Geschehens.

Vor allem das Nickel- Isotop 56Ni ist eine wichtige Heizquelle, da es den Überresten des Sterns noch über Wochen und Monate über den radioaktiven Zerfall

56Ni 56Co 56Fe

die extreme Leuchtkraft verleiht. Das Nickel, immerhin bis zu mehreren zehntel Sonnenmassen, wie auch alle übrigen schweren Elemente stammen selbstverständlich nicht aus dem im Kern erbrüteten Material. Nein, das Zentrum kollabiert weiter und alle nun vorhandenen Elemente sind in der Hülle durch die Explosion erzeugt worden.


Die Energie einer Kernkollaps- Supernova, gelegentlich auch als hydrodynamische Supernova bezeichnet, ist so hoch, dass sogar noch schwerere Elemente wie z.B. Gold, Kupfer, Blei oder Uran gebildet werden. Das geschieht aber nur noch durch Einfang von Neutronen und/oder Protonen im so genannten r- Prozess (von engl. rapid = schnell). Diese ausgeworfenen Reaktionsprodukte (die "Sternasche") reichern dann das interstellare Medium mit frischem Material an, welches später vielleicht wieder zur Bildung eines neuen Sterns und von Planeten herangezogen wird. Rund die Hälfte derjenigen Elemente, die schwerer als Eisen sind (eine höhere Masse im Atomkern aufweisen) und die wir auf den Planeten finden, stammt aus solchen Supernovaexplosionen. Der Rest wird im s- Prozess (von engl. slow = langsam) in relativ massearmen Sternen erbrütet und später, wenn sie das Riesenstadium im HR- Diagramm erklommen haben, ins All geblasen.

Im Zentrum des Sterns hat sich der Protoneutronenstern durch weitere Kontraktion auf sagenhafte 300 Milliarden Kelvin aufgeheizt. Die größte Hitze herrscht jedoch nicht im Zentrum, sondern im Außenbereich, wo die Stoßwelle auftraf. Auf den noch rund 200 [km] durchmessenden Kern fällt trotz des Rückpralls der Sternhülle noch Material, das zwischen den aufsteigenden Blasen herab regnet. Zwar kühlen noch immer enteilende Neutrinos das ultraheiße Plasma, doch durch die voranschreitende Kontraktion steigt die Temperatur zunächst noch weiter. Die Elektroneneinfänge wandeln aber immer mehr der noch verbliebenen Protonen in Neutronen um, und die damit verbundene Kühlung lässt den dann nur noch 30 Kilometer großen Neutronenstern nach einigen 10 Sekunden auf 10 Milliarden [K] "erkalten".

Supernova N 49
Supernova N 49
In der großen Magellanschen Wolke (südlicher Sternhimmel) wurde dieser beeindruckende Supernova- Überrest N 49 abgelichtet. Die Aufnahme ist aus Bildern des Hubble- und des Chandra- Weltraumteleskops zusammengesetzt. Die gelben Filamente sind im sichtbaren Licht aufgenommen, Blau zeigt heiße Röntgenstrahlung an. Der Überrest hat heute einen Durchmesser von 30 Lichtjahren. Vor 30 Jahren wurde zudem ein heftiger Ausbruch von Gammastrahlung gemessen. Ihre Ursache konnte als Magnetar entlarvt werden - ein schnell rotierender Neutronenstern, der als Überrest dieser SN II den Ort des Geschehens mit 70 000 [km/h] verlässt. Die kleine blaue Blase in der rechten Bildhälfte ist ein wenig schleierhaft. Vermutlich wurde sie bei der asymmetrischen Explosion des massereichen Vorläufersterns ausgestoßen und eilt nun mit 7 Millionen [km/h] davon.

Mit freundlicher Genehmigung von NASA/CXC/Penn State/S. Park et al.; NASA/STScI/UIUC/Y. H. Chu & R. Williams et al.

Wie wir bis jetzt sahen, muss die Explosion des Sterns nicht zwangsläufig völlig symmetrisch verlaufen. Vielmehr ist die Bildung der aufsteigenden Plasmablasen eher turbulent. Manche sind vielleicht viel größer wie andere und üben deshalb mehr Druck auf darüber liegendes Material aus. Andere können dagegen viel kleiner sein und im Endeffekt kann sich ein total asymmetrischer Verlauf der Supernova ergeben. Das bleibt dann auch nicht ohne Folgen: Diese Asymmetrien wirken wie ein Raketenantrieb auf den Neutronenstern. Der bekommt einen kräftigen "Tritt" und enteilt dann schnellstmöglich dem Ort des Geschehens. Man hat schon Neutronensterne beobachtet, die Eigengeschwindigkeiten von 1600 [km/s] aufweisen, das sind immerhin beachtliche 5 760 000 Kilometer in der Stunde. Es sind schon gewaltige Energiemengen erforderlich, 1½ Sonnenmassen derart zu beschleunigen! Insgesamt wird bei einer SN II die unvorstellbare Energiemenge von 1046 [J] freigesetzt.

Liegt die Masse des kollabierenden Kerns über 3 Sonnenmassen (eine exakte Grenzmasse ist noch nicht bekannt), so haben wir es mit einem ganz anderen Szenario zu tun: Es entsteht im Sterninnern kein Neutronenstern mehr, sondern ein stellares Schwarzes Loch. Das auf diesen Kollaps folgende Schauspiel ist keine Supernova, sondern wir werden Zeuge einer noch um den Faktor 100 stärkeren Hypernova.

Supernova- Überrest "Schleier- Nebel"
"Schleier- oder Cirrus- Nebel", Bild anklicken für Großansicht
Vor 8 000 Jahren explodierte im Sternbild Cygnus (Schwan) ein Stern von etwa 20 Sonnenmassen als Supernova, 1470 Lichtjahre von uns entfernt. Es ist anzunehmen, dass der ehemalige Stern einen kräftigen Sternwind emittierte, der das umgebende interstellare Gas vor sich her trieb und so eine Art "Höhle" um den Stern bildete. Die auf diese Höhlenwandung auftreffende Schockfront der Supernova formte die filamentartigen Schleier. Die Farben weisen auf unterschiedliche Elemente und Temperaturen hin. Rot zeigt dabei Wasserstoff an, Grün Schwefel und Blau Sauerstoff. Ob aus dem Vorläuferstern ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch entstand, ist nicht bekannt.

Weitere Informationen: https://en.wikipedia.org/wiki/Veil_Nebula

Mit freundlicher Genehmigung von NASA, ESA, Hubble Heritage Team


Neutrinos

Bei der oben geschilderten Bildung eines Neutronensterns wird das negativ geladene Elementarteilchen Elektron in das positive Proton gedrückt, wodurch ein (neutrales) Neutron entsteht (inverser β- Zerfall). Die Masse des Neutrons sollte logischerweise der Summe der Massen von Elektron und Proton entsprechen.

Dies ist jedoch nicht der Fall, denn das Neutron ist immer etwas leichter als die Gesamtmasse beider Ausgangsteilchen. Dieser Massendefekt beruht darauf, dass der fehlende Masseanteil als Energie (Wärme-, Radio-, Röntgen-, Gammastrahlung usw.) abgestrahlt wird. Darüber hinaus entsteht bei solchen Prozessen ein winziges Teilchen, das so genannte Neutrino. Schon 1930 wurde das Neutrino von Wolfgang Pauli vorhergesagt. Experimentell nachgewiesen werden konnte es 1949, doch erst seit 1998 wissen wir, dass es eine sehr geringe, aber doch vorhandene Masse aufweist. Derzeit geht man von einer Ruhemasse (des Elektronneutrinos) aus, die bei etwa 2,3 [eV] liegt, möglicherweise ist die Obergrenze für die Masse sogar nur 0,2 [eV] groß, was noch in genaueren Experimenten nachgewiesen werden muss. Zum Vergleich: ein Elektron hat eine Ruhemasse von 511 [KeV].

Neutrinos sind - wie ihr Name schon andeutet - neutral, sie tragen also keine Ladung. Als punktförmige Teilchen zählt man sie zur Gruppe der Leptonen, zu denen auch die Elektronen, Tauonen und Myonen gehören. Zu jedem Teilchen existiert ein Antiteilchen, so auch zu den 3 Neutrinos: Antielektronneutrino, Antimyonneutrino und Antitauonneutrino. Zusammen mit den Baryonen (Proton, Neutron, Quarks) zählen sie zur Familie der Fermionen, Teilchen mit halbzahligem Spin, die dem Pauli- Verbot unterliegen.

Auch unsere Sonne erzeugt massenweise Elektronneutrinos bei der Fusion von Wasserstoff durch die Proto-Proton- Reaktion. Es ist nun wirklich nicht leicht, ein solches Teilchen überhaupt nachzuweisen, reagiert es doch höchst selten mit anderer Materie. Aber die Physiker haben viele intelligente Apparaturen ersonnen, die durchaus in der Lage sind, diese kleinen "Geister" aufzuspüren. Die Sonne bombardiert uns in jeder Sekunde mit 70 Milliarden Neutrinos - auf jedem Quadratzentimeter der Erde versteht sich! Und es gelingt auch tatsächlich, eine äquivalente Anzahl zu "sehen". Lange Zeit aber waren es stets zu wenige Teilchen, als man erwartet hatte. Erst 1998 gelang der Beweis mit dem Super-Kamiokande- Experiment in Japan, dass sich nämlich die Neutrinos quasi eine "Tarnkappe" aufsetzen können, so wie es ihnen gerade beliebt. Die Elektronneutrinos können sich einfach mal eben in ein Myon- oder Tauonneutrino umwandeln oder gar in die Antiteilchen. So entzog sich ein Teil der Winzlinge dem Nachweis. Diese Umwandlung in andere Leptonen bezeichnet man als Neutrino- Oszillation.


Neutrinos reagieren nur äußerst selten mit anderen Kernteilchen, und zwar so selten, dass sie bequem die Erde, die Sonne, ja sogar einen Bleiklotz von einem Lichtjahr Länge komplett durchfliegen können, ohne mit einem einzigen Kernteilchen zu reagieren (das gilt natürlich auch für Menschen; jeder von uns wird sekündlich von Aber Milliarden von ihnen durchquert!).

Speziell für hochenergetische Neutrinos, die aus Quellen wie Supernovae, GRB's oder Schwarzen Löchern stammen, entstand ein gigantischer Neutrinodetektor in der Antarktis, der 2011 fertiggestellt wurde: IceCube

IceCube
IceCube
Um den weltgrößten Neutrinodetektor zu erstellen, wurde mit einem Heißwasserstrahl ein Loch in das ewige Eis gebohrt. 2450 Meter tief! In das Bohrloch wurde dann eine Kabeltrosse gelassen, an welcher ab 1450 Meter Tiefe in gleichmäßigem Abstand 60 Glaskugeln hängen, die höchstempfindliche Lichtsensoren (Fotomultiplier) enthalten, die letzte am Fuß der Bohrung. Nach dem Gefrieren des Bohrwassers war der erste Neutrinosensor fertig gestellt. Was 2005 begann, konnte erst 2011 beendet werden, denn es galt, in einem bestimmten Raster 80 solcher Bohrungen zu erstellen, die dann insgesamt 4800 Sensoren enthalten. Ziel des Neutrinoteleskops ist, die wirklich hochenergetischen Neutrinos herauszufiltern und gleichzeitig eine Information über die Richtung zu erhalten, aus der sie aus den Tiefen des Alls kamen.
Weitere Informationen:
http://de.wikipedia.org/wiki/IceCube

Mit freundlicher Genehmigung von Terry Hannaford/NSF

Ein weiteres, ähnliches Experiment mit Namen Antares wurde bereits 2008 im Mittelmeer, 40 Kilometer vor der Küste bei Toulon in bis zu 2500 Meter Tiefe in Betrieb genommen. Neutrinos hat es noch nicht "gesehen", doch gleichzeitig dort installierte Mikrofone lauschen den Gesängen der Wale.

Beim Kollaps zu einem Neutronenstern werden ungeheure Mengen an Neutrinos ausgestoßen (1058). Trotz ihrer schwachen Wechselwirkungen sind sie aber aufgrund ihrer großen Zahl entscheidend am Abstoßen der Hülle einer Supernova beteiligt. Bei einer Supernova wird eine Energie von 1046 [J] emittiert (in Strahlung umgewandelte Gravitationsenergie), wobei die Neutrinos den größten Teil (99%) der freigesetzten Energie darstellen.

Beim Kollaps der Supernova 1987A geschah dies natürlich auch, und einige Stunden vor Sichtung der Nova wurden bereits die Neutrinos in unseren Detektoren entdeckt. Die Zeitverzögerung erklärt sich dadurch, dass die Neutrinos sofort beim Kollaps mit fast Lichtgeschwindigkeit den Ort des Geschehens verlassen, während es Stunden dauert, bis die Schockwelle die Sternhülle fortbläst und man im optischen (oder einem anderen) Bereich die Explosion beobachten kann. Jeder Mensch auf der Erde wurde von 100 Billionen (!) Neutrinos dieser Supernova durchquert, und bei etwa 10 Menschen der Erde bestand die Chance, dass ein Neutrino im Auge einen kurzen Lichtblitz erzeugte. Wenn Sie einer von ihnen waren, lassen Sie's den Autor wissen...


Paarinstabilitäts- Supernova (PISN)

Weiter oben wurde bereits angedeutet, dass Sterne mit dem 140- bis 260- fachen der Sonnenmasse weder als Neutronenstern noch als Schwarzes Loch enden, sondern in einer Explosion völlig zerstört werden. Wie ist das möglich und warum können überhaupt solch massereiche Sterne entstehen?

Das Zauberwort heißt hier Metallgehalt bzw. Metallizität. Unter Metallen verstehen die Astronomen alle Elemente die schwerer als Helium sind. Als sich die ersten Sterne im Universum bildeten, gab es nur Wasserstoff und Helium, keine Metalle. Diese Sterne konnten wahrhaft gigantische Ausmaße annehmen, 500 bis 1000 Sonnenmassen waren durchaus möglich. Das geschah, weil es in den kontrahierenden Wasserstoffwolken keinen Kühlungsmechanismus gab. Wenn sich eine Gaswolke verdichtet, so erhöht sich deren Temperatur. Hierdurch steigt auch der Druck an, der seinerseits der Kontraktion entgegen wirkt. Auf diese Weise konnten sich große Massen ansammeln, bis endlich das Kontraktionszentrum durch die Eigengravitation so dicht und heiß wurde, dass Kernfusionen einsetzten. Der dann entstandene Sternwind blies die Umgebung frei und die weitere Massezunahme wurde unterbunden.


Jetzt aber ist das interstellare Medium mit dem Auswurfmaterial der ersten Sterngenerationen angereichert. Die ausgestoßenen Metalle fanden sich zu Staubteilchen zusammen und vermischten sich mit den Wasserstoffwolken. Wenn sich nun bei einsetzenden Kontraktionen die Temperatur erhöht, so ist das nichts anderes als eine schnellere Bewegung der Wasserstoffteilchen. Sie stoßen mit den Staubteilchen zusammen und übertragen dabei ihre Bewegungsenergie auf sie. Die Staubteilchen wiederum strahlen diese Energie als Infrarotstrahlung in den Raum ab. Auf diese Weise wird das Kontraktionszentrum gekühlt und kann sich viel schneller verdichten, weil deutlich weniger Gasdruck entsteht.

SN 2006gy aus Sicht des Lick- Observatoriums
SN 2006gy aus Sicht des Lick- Observatoriums

SN 2006gy aus Sicht des Chandra- Observatoriums
SN 2006gy aus Sicht des Chandra- Observatoriums

Am 18. September 2006 wurde in der Galaxie NGC 1260 in 238 Millionen Lichtjahren Entfernung eine Supernova entdeckt. Es war die hellste jemals beobachtete Supernova! Während üblicherweise eine Supernova eine absolute Helligkeit von -16mag bis etwa -20mag aufweist, lag das Helligkeitsmaximum dieser Supernova SN 2006gy bei -22mag. Während die Helligkeitsmaxima bei den leuchtkräftigsten Supernovae etwa 20 Tage nach ihrer Entdeckung erreicht werden, war dies bei SN 2006gy erst nach 70 Tagen der Fall, zudem lag die absolute Helligkeit rund 100 Tage lang über -21mag. Oben sehen wir die Supernova im infraroten Bereich, aufgenommen vom Lick Observatorium in Kalifornien. Links unten der Kern von NGC 1260, während rechts oben die Supernova diesen völlig überstrahlt. Das Chandra- Observatorium hat dasselbe Spektakel im Röntgenbereich aufgenommen. Gerade die Chandra- Untersuchung hat gezeigt, dass hier nicht das Ende eines massearmen Sterns stattgefunden haben konnte, denn sonst hätte die Röntgenstrahlung um den Faktor 1000 höher sein müssen.

Miot freundlicher Genehmigung von NASA/CXC/UC Berkeley/N.Smith et al.; IR: Lick/UC Berkeley/J.Bloom & C.Hansen

Was haben wir nun hier erlebt? Es bieten sich 2 Lösungsmöglichkeiten an. Zunächst könnte die schon weiter oben beschriebene Zerfallsreihe 56Ni 56Co 56Fe die nötige Energie für die beobachtete Leuchtkraft geliefert haben. Während bei einer üblichen SN II von 20 Sonnenmassen (SM) etwa 0,07 SM an Nickel produziert werden, wären bei SN 2006gy etwa das 15- bis 20- fache der Sonnenmasse vonnöten gewesen. Der Vorläuferstern muss demnach in jedem Fall ungeheuer massereich gewesen sein.

Lichtkurve der SN 2006gy
Lichtkurve der SN 2006gy
In dieser Grafik ist die Lichtkurve der Supernova SN 2006gy dargestellt. Zusätzlich sind zum Vergleich typische Lichtkurven von Supernovae der Typen SN Ia sowie SN II eingezeichnet, auch diejenige der SN 1987A. Die Helligkeiten sind keine Absolutwerte, sondern relativ. Deutlich ist aber zu erkennen, dass SN 2006gy alles bisher Dagewesene an Sternexplosionen überstrahlt. Alle bisher üblichen und bekannten Explosionen "normaler" Sterne kann man ausschließen: hier ist ein überaus massereicher Stern den letzten Weg gegangen!

Mit freundlicher Genehmigung von NASA/CXC/UC Berkeley/N.Smith et al.

Man kann sich nun ein Spektakel vorstellen, welches folgender Gesetzmäßigkeit entspricht. Gemäß Einsteins Energie- Masse- Äquivalent E = mc2 lässt sich bekanntlich Masse in Energie umwandeln (was ja der Antriebsmotor für das Leuchten der Sterne ist), doch ist auch der umgekehrte Weg möglich. In den Zentren sehr massereicher Sterne sind Druck und Temperatur derart hoch, dass die bei den Fusionen freigesetzten Gammaphotonen höchstenergetisch werden. Das versetzt sie in die Lage, sich spontan in Elektron- Positronpaare umzuwandeln. Aus Strahlung wird also Materie! Die Teilchenpaare vernichten sich anschließend wieder gegenseitig.

Für den Stern ist das allerdings weniger erfreulich. Durch den Wegfall der Strahlung fehlt jetzt neben dem Gasdruck der stützende Strahlungsdruck - die Gravitation kann wieder einmal ihre Macht ausspielen und der Stern beginnt zu kollabieren.

Damit die Gammaphotonen so energiereich werden können, muss der Stern einen Heliumkern zwischen 64 und 133 Sonnenmassen aufweisen. Das entspricht einer Gesamtmasse von 140 bis 260 Sonnenmassen. Nach dem Heliumbrennen stellen sich dann im Kern die Bedingungen für die Strahlungsumwandlung ein. Der Stern kontrahiert jetzt sehr schnell, während im Innern Sauerstoff und Silizium brennen, je nach Größe der Sternmasse. Das Zentrum implodiert regelrecht. Eigentlich sollte die Kontraktion nun durch den höheren Gasdruck abgebremst werden. Doch der Kollaps schießt quasi "übers Ziel hinaus" bis eine maximale, masseabhängige Temperatur erreicht ist. Die Fusionen erfolgen jetzt explosionsartig, die Kontraktion wird umgekehrt und der ganze Stern vergeht in einer nuklearen Explosion.


Weil man im Spektrum der Supernova 2006gy nur schwache Wasserstofflinien fand, wird sie vorerst der Klasse SN IIn zugeordnet. Als Vorläuferstern kommt eigentlich nur ein recht metallarmer, massereicher Stern in Betracht. Die Entdecker der Supernova, Nathan Smith und sein Team (University of Berkely, California) nennen auch die Möglichkeit, dass ein so genannter Leuchtkräftiger Blauer Veränderlicher, wie Eta Carinae, der Explosion vorangegangen ist. Prinzipiell gilt das beschriebene Schauspiel einer PISN für die Sterne der ersten Generation (Population III), die also noch keine Metalle enthielten. Jedoch kann man es durchaus auch für metallarme Sterne anwenden, die z.B. 0,1% der Sonnenmetallizität aufweisen und deshalb derart massereich werden konnten.

Weil der Stern gar nicht dazu kam, schwere Kerne zu erbrüten oder es auch keine nennenswerte Neutronenquelle beim Heliumbrennen gab, finden in metallarmen PISN keine s- Prozesse statt. Weil auch kein Neutronenstern gebildet wird, kann keine Schockwelle entstehen, die das Sternmaterial ultrahoch erhitzt und verdichtet. Somit können auch keine r- Prozesse ablaufen: Eine PISN produziert keine schwereren Elemente als Nickel. Silizium und Schwefel sind im Vergleich zu Eisen, Sauerstoff oder Magnesium im Überangebot.

Weitere Informationen:
http://chandra.harvard.edu/photo/2007/sn2006gy/index.html
http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt_s09.html#sn