tomS hat geschrieben: ↑14. Sep 2018, 20:26
Frank hat geschrieben: ↑14. Sep 2018, 14:46
Hier mal eine Rezension der FAZ zu Zehs Buch.
Bohr und seine Mitstreiter sahen sich stattdessen zur Einsicht gedrängt, dass Naturwissenschaft nicht die Natur zum Gegenstand hat, sondern nur das, was wir über sie wissen können. Dieter Zeh wittert dahinter eine irrationalistische Weltanschauung. Doch Zweifel am Rationalismus sind noch lange nicht irrational. Warum sollte die Wirklichkeit fundamental so strukturiert sein, dass sie in ein Menschenhirn passt - und sei es das eines Physikers, der imstande ist, sie sich als ein unablässig sich verzweigendes Geäst vieler Everett-Welten vorzustellen? Gewiss, man könnte sie dann im traditionellen Sinn naturwissenschaftlich verstehen. Doch das ist kein zureichender Grund dafür, sich an diese Vorstellung zu gewöhnen.
Die FAZ ist nun nicht gerade die Zeitung, wo ich fundierte Kenntnisse zu Grundlagen der Quantenmechanik erwarte.
Murray Gell-Mann hat geschrieben:Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
Dass Bohr den Anspruch auf die Beschreibung der Natur aufgegeben hat war erstens falsch - und ist zweitens auch heute noch und in der in der Rezeption falsch.
Kein theoretischer Physiker arbeitet an Modellen zur Naturbeschreibung, nur weil er Ergebnisse in Experimenten vorhersagen möchte; er möchte zunächst die Natur, deren Struktur bzw. die Abbildung der Natur auf eine mathematische Struktur verstehen. Ja, er wird diese Modelle auch einer experimentellen Prüfung unterwerfen.
Zu " Warum sollte die Wirklichkeit fundamental so strukturiert sein, dass sie in ein Menschenhirn passt?" Ja, warum sollte sie denn
nicht so strukturiert sein? Heisensberg, Schrödinger, Dirac u.a. haben in den zwanziger Jahren einen mathematsichen Rahmen geschaffen, innerhalb dessen sich ALLE experimentell zugänglichen Phänomene einordnen und quantitativ zutreffend beschreiben lassen - wohlgemerkt, das gilt auch für Phänomene, die fast 100 Jahre später - nämlich heute - untersucht werden. Damit ist die Annahme, die Quantenmechanik würde strukturell zumindest auf einer gewissen Ebene die Natur richtig beschreiben nur vernünftig.
Damit ist die Everettsche Interpretation noch lange nicht bestätigt, aber die irrationalen Krücken und logischen Brüche der Kopenhagener Interpretation erst recht nicht. Die Kopenhagener Schule hat ein Denkverbot ausgesprochen, über das sich - Gott sei Dank - die Physiker inzwischen wieder hinwegzusetzen beginnen.
Hallo Tom
Bei der Fragestellung "Warum sollte die Wirklichkeit so strukturiert sein, dass sie in ein Menschenhirn passt" muß man ja grundsätzlich den Umstand berücksichtigen, dass sich das Wissen einer Zivilisation ja i.d.R. ständig entwickelt und auf jeder Entwicklungsstufe eine andere bessere Interpretation hat. Grundsätzlich sollte also das Prinzip der Erkennbarkeit der Welt wirken, auch dann wenn es wohl nie einen Punkt der 100% Erkenntnis gibt.
Ein gewisser Irrationalismus dürfte aber spätestens dann eintreten, wenn es dabei praktisch zu einer Privilegierung des Eigensystems kommt (siehe KD, Grenzwerte in Richtung Mikro-Makro).
Aber auch, wenn man, wie bei den Everett-Welten zulässt, dass zwar das eigene System konventionelle, materielle Strukturen besitzt, aber die anderen Welten von der Sache nur reine "leere" Gedankenkonstrukte sind, die nur in der Phantasie eines Betrachters, ähnlich einem SF-Film ablaufen...
Der richtige Ansatz wäre m.M. nach der, dass wir das, was auf unserer Ebene (d.h. in unserem System) geschieht, prinzipiell auch auf allen anderen Ebenen zulassen (mal unabhängig von der Frage, wer was bei wem auch gegenwärtig zuverlässig verifizieren kann oder nicht).
Außerdem geht Everett zwar davon aus, dass es zwar viele, aber eben nicht unendlich viele seiner Welten gibt (vielleicht, weil man hier die Zahl der Beobachter bei einer angenommenen Einmaligkeit des Urknalls nicht zwingend als unendlich definieren kann). Etwas ganz anderes ist es, wenn die Menge der Systeme bzw. Untersysteme eindeutig mit unendlich angegeben wird. Dann ist die Zahl der potentiellen Beobachter ja nicht relevant bzw. auf jeder Ebene auch unendlich.
Zeh schreibt in seinem Buch ja auch, dass nur wenige Wissenschaftler bereit sind, etwas zu widerrufen, was sie ihr Leben lang gelehrt haben und meint außerdem: wer über die QT kontrovers diskutiert, erfährt schnell, dass diese dafür nicht gemacht ist. Dabei verweist er auch auf viele "Nachwuchsphysiker", die schnell aufgeben, wenn sie feststellen, dass hier die Konsistenz bzw. Vorstellbarkeit fehlt...
M.f.G.