Schwarze Löcher


Schwarze Löcher light

Bisher haben wir uns Schwarzen Löchern gewidmet, die aufgrund ihrer Masse von einigen wenigen bis hin zu Milliarden Sonnenmassen ansehnliche Durchmesser ihrer Horizonte ausbilden. Allerdings ist es denkbar, wenn auch bis heute rein spekulativ, dass sehr viel kleinere Löcher in mikroskopischem Maßstab existieren könnten.

Wie wir sahen, bilden sich Schwarze Löcher durch einen Gravitationskollaps, ein Himmelskörper bricht unter seiner eigenen Last zusammen. Sehr kleine Minilöcher können so niemals entstehen, weil die beteiligten Massen von beispielsweise Planeten oder Monden viel zu gering wären. Sie könnten nur entstehen, wenn ein entsprechend hoher Druck von außen auf die Materie ausgeübt wird. Prinzipiell sind wir Menschen sogar in der Lage, ein kleines Schwarzes Loch künstlich zu erzeugen! Wenn wir den Weltmeeren alles an schwerem Wasser (D2O, der Wasserstoff ist durch Deuterium ersetzt) entziehen würden, könnte man daraus eine Wasserstoffbombe bauen. Bei ihrer Explosion wäre der Druck hoch genug, um in ihrem Zentrum befindliche Materie zu einem Schwarzen Loch zusammenzupressen. Dies wurde einmal von John Wheeler berechnet, der dabei hoffentlich berücksichtigte, dass es anschließend niemanden mehr gäbe um das Loch zu beobachten.


Es gibt allerdings auch ernsthaftere Überlegungen, mit denen sich insbesondere Stephen Hawking beschäftigte. Im frühen Universum nämlich waren Temperatur und Druck sehr hoch, so dass sich eventuell Schwarze Löcher bilden konnten. Solche primordialen (urzeitlichen) Löcher könnten allerdings nur dann entstehen, wenn der frühe Kosmos nicht absolut gleichmäßig, sondern von Unregelmäßigkeiten durchzogen war.

Entstehung primordialer Minilöcher
Entstehung primordialer Minilöcher
Dass dies der Fall gewesen sein muss wissen wir, da sonst weder Sterne noch Galaxien hätten entstehen können. Damit ist in der Tat die Möglichkeit gegeben, dass an Stellen höherer Dichte primordiale Löcher entstanden. Die Masse dieser Minilöcher wäre recht gering, sie müsste im Bereich von etwa mindestens 500 Milliarden Tonnen liegen (dem Gewicht eines Berges), wollten sie heute noch existieren. Kleinere Löcher wären längst verschwunden (warum sehen wir weiter unten). Ein primordiales Loch von rund 1018 [g] hätte einen Durchmesser, der kleiner als der eines Atoms wäre!


Sind Schwarze Löcher wirklich absolut schwarz? Haben Schwarze Löcher eine Temperatur? Schließlich war der Stern, aus dem das Loch entstand, einmal sehr heiß! Diesen Fragen sind wir bisher ausgewichen, wollen uns ihnen aber nun stellen. 1974 veröffentlichte Stephen Hawking einen Artikel, der die Fachwelt in helle Aufregung versetzte: Schwarze Löcher sollen alle möglichen Arten von Strahlung aussenden! Und das, obwohl wir doch alle wissen, dass nichts aus einem Schwarzen Loch entweichen kann. Darüber hinaus sollte das Strahlungsspektrum einem Schwarzen Strahler entsprechen, womit man letztendlich einem Schwarzen Loch eine Temperatur zuordnen kann.

Um diese Aussagen zu verstehen, müssen wir uns mit einem weiteren Begriff anfreunden, den der Entropie.


Die Entropie entstammt dem physikalischen Gebiet der Thermodynamik, und zwar derem zweiten Hauptsatz (es gibt insgesamt vier Hauptsätze, siehe auch weiter unten). Während der erste Hauptsatz besagt, dass in einem geschlossenen System die Gesamtenergie stets konstant bleibt, macht der zweite Hauptsatz eine Aussage über die Entropie, die "Unordnung" eines Systems. Damit ist nicht etwa die Unordnung im Zimmer Ihrer Kinder oder Ihres Hobbyraums gemeint, obwohl dies sehr anschauliche Beispiele sind. Unterlassen Sie einmal ein ganzes Jahr lang jede Ordnungsaktion, und Sie werden die Aussage des zweiten Hauptsatzes verstehen:

Die Entropie in einem geschlossenen System bleibt gleich oder nimmt zu.

Im Detail sind die Aussagen recht verzwickt und wir wollen uns daher hier auf ein Minimum beschränken. Hierzu ein Beispiel:

Die Entropie nimmt zu
Die Entropie nimmt zu
Wir nehmen zwei Gefäße, wovon wir eines mit Stickstoff, das andere mit Helium füllen. Angedeutet sind einige Gasmoleküle bzw. -atome. Da beide Gase voneinander getrennt sind, haben wir es mit einem geordneten Zustand zu tun. Wenn wir nun den Hahn öffnen, verteilen sich die Gase nach und nach vollkommen gleichmäßig im gesamten ihnen zur Verfügung stehenden Raum. Offensichtlich ist jetzt der Grad der Unordnung angewachsen. Es könnte natürlich geschehen, dass sich irgendwann alle Gaspartikel zufällig in einem der beiden Kolben befinden, doch das ist sehr unwahrscheinlich. Dennoch sehen wir hier den Unterschied zu anderen physikalischen Gesetzen: Der zweite Hauptsatz gilt nicht für jeden möglichen Fall, sondern trifft nur unter bestimmter, wenn auch sehr großer Wahrscheinlichkeit zu.


Wenn Sie einmal einen Eiswürfel auf den Tisch legen, dürfen Sie sich mit gutem Gewissen wundern, wenn er plötzlich in die Höhe springt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass alle Moleküle des Würfels gleichzeitig nach oben schwingen und hierdurch den Sprung verursachen. Aber auszuschließen ist diese Möglichkeit nicht völlig! Vielmehr werden die Eismoleküle in alle Richtungen schwingen wie vorher auch. Es kann auch keine Wärme vom Eiswürfel auf den viel wärmeren Tisch überfließen. Dies ist eine weitere Aussage des zweiten Hauptsatzes, dass nämlich Wärme stets nur vom wärmeren zum kälteren Körper übergehen kann.

Was aber hat nun die Entropie mit unseren Schwarzen Löchern zu schaffen? Wenn wir unsere beiden gasgefüllten Behälter nehmen und in ein Schwarzes Loch werfen, so entziehen wir dem Kosmos Entropie (wir erinnern uns: Ein Schwarzes Loch schottet sich selbst völlig vom übrigen Universum ab, es ist ein eigenes, geschlossenes System). Die Entropie darf aber nach dem zweiten Hauptsatz nicht abnehmen. Stimmt die Physik nicht mehr?


Vielleicht ist es ja so, dass die Entropie des Universums gar nicht abnimmt, sondern zumindest gleich bleibt, wenn wir etwas ins Loch werfen. Man müsste hineinsehen können, um das festzustellen, aber das ist ja nicht möglich. Hawking kam nun der Gedanke, dass man die Entropie vielleicht auch außen "ablesen" könnte. Hierzu schlug Jacob Bekenstein vor, die Fläche des Ereignishorizontes als Maß für die Entropie zu verwenden. Zumal Hawking zuvor herausfand, dass die Fläche des Horizontes zunehmen muss, wenn Materie ins Loch fällt. Seine Erkenntnis besagt, dass beim Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher die Fläche des neuen Ereignishorizontes größer sein muss, als die Summe der beiden ursprünglichen Flächen.

Wenn nun aber irgendetwas im Kosmos Entropie aufweist, dann sollte es auch eine Temperatur haben! Wie ein Schwarzer Strahler, der bei einer definierten Temperatur ein bestimmtes Strahlungsspektrum emittiert, sollte dies nun auch bei einem Schwarzen Loch der Fall sein. Wie aber kann das möglich sein, wo doch nichts, weder Strahlung noch Teilchen, aus dem Loch entweichen können? Die Antwort darauf hat Hawking in der Quantentheorie gefunden.


Die Quantentheorie besagt, dass ein Vakuum, ein "leerer" Raum, in Wirklichkeit nicht völlig leer ist. Immer und überall sind Felder vorhanden, seien es elektromagnetische oder gravitative. Solche Felder unterliegen auch der Heisenbergschen Unschärfe: je genauer wir versuchen, Größe oder Ort zu bestimmen, umso ungenauer wird die Aussage bezüglich der anderen Größe. Ein Feld kann deshalb nie exakt Null sein, weil es ja sonst einen genauen Wert (eben Null) aufwiese. Somit existieren Fluktuationen (ein "Auf" und "Ab") im Vakuum, die man sich als Teilchen vorstellen kann.

Bildung virtueller Teilchen
Bildung virtueller Teilchen
Diese Teilchen bezeichnen wir als virtuell, weil man sie nicht direkt beobachten kann. Einen indirekten Beweis ihrer Existenz liefern sie aber, indem sie beispielsweise die Elektronen von Wasserstoffatomen etwas hin und her stoßen, was zu einer messbaren, winzigen Verschiebung ihres niedrigsten Energieniveaus führt. Virtuelle Teilchen entstehen immer paarweise, und zwar als Teilchen und Antiteilchen. Das Teilchen weist dabei positive, das Antiteilchen negative Energie auf. Die Energie zu ihrer Entstehung "borgen" sie vom Vakuum und geben sie nach sehr kurzer Zeit wieder zurück, indem sie sich gegenseitig vernichten (annihilieren). Virtuelle Teilchenpaare können Materieteilchen wie Elektronen oder Quarks sein, oder wie in unserem Fall Photonen bzw. Gravitonen. Die beiden letzteren sind gleichzeitig ihre Antiteilchen.


Virtuelle Teilchenpaare können nun auch direkt in der Nähe des Horizontes eines Schwarzen Lochs entstehen. Nun kommt die Gezeitenkraft in der Nähe des Lochs zum Tragen, sie kann das Teilchenpaar auseinander ziehen, so dass zumindest ein Partner des Paares in das Loch fällt. Wenn ein reales Teilchen sich in der Nähe eines Schwarzen Lochs aufhält, muss es Energie gegen die Gravitation aufwenden. Umso mehr, je näher es dem Horizont kommt. Die Gravitation ist so stark, dass die Energie des Teilchens im Loch sogar negativ werden kann. Das trifft auch für die virtuellen Teilchen zu. Fällt jetzt ein solches ins Loch, kann es zu einem reellen Teilchen (oder Antiteilchen) mit negativem Energieinhalt werden. Da nach Einsteins E = mc2 Energie gleich Masse ist, befindet sich nun ein Teilchen mit negativer Masse im Loch. Das bedeutet im Endeffekt, dass dem Schwarzen Loch Masse entzogen wird! Durch diesen Vorgang verkleinert sich sein Horizont und damit auch die Entropie.

Hawking- Strahlung
Hawking- Strahlung

Weil die Entropie aber nicht abnehmen kann, muss noch ein anderer Prozess ablaufen. Dafür sorgt das verwaiste Partnerteilchen. Die Gezeitenkraft ist so groß, dass sie den virtuellen Photonen soviel an Energie zuführen kann, dass sie zu realen Teilchen werden. Dabei bleibt mehr als genug Energie übrig, um sie an den umgebenden Raum abzugeben. Dieser hatte ja einen negativen Energieinhalt, da er die Energie zur Bildung des Teilchenpaares lieferte. Der eine Partner mit negativer Energie befindet sich jetzt schon im Loch, das andere Teilchen aber kann nun als reales Teilchen positiver Energie entkommen. Weil man jedes Teilchen auch als Welle auffassen kann (Welle- Teilchen- Dualismus), sehen wir also Strahlung, die scheinbar aus dem Schwarzen Loch kommt!
Der Entropieverlust durch die Horizontverkleinerung wird mehr als ausgeglichen durch die Entropiezunahme der emittierten Strahlung, der zweite Hauptsatz behält seine Gültigkeit!


Nun darf man sich nicht vorstellen, dass durch die nach Hawking benannte Strahlung das Loch hell leuchtet. Wenn aus den virtuellen Teilchen reelle werden sollen, muss ihr Abstand kleiner sein als eine Wellenlänge der ihnen äquivalenten Welle. Damit sie andererseits genug Energie aus der Gezeitenkraft abzapfen können, müssen sie auf eine Distanz von rund einem Viertel des Horizontumfangs gebracht werden. Somit erhalten wir eine Aussage über die Wellenlänge der Strahlung, sie liegt bei 1/4 des Horizontumfangs oder darüber. In Zahlen ausgedrückt: ein Loch von 2 Sonnenmassen hat einen Horizontumfang von rund 35 [km], woraus eine Wellenlänge von 8,75 [km] resultiert. Das ist nicht gerade energiereiche Strahlung, sie entspricht einer Temperatur von etwa einem Zehnmillionstel [K] über dem absoluten Nullpunkt. Es ist einleuchtend, dass es unvorstellbar lange dauern wird, bis ein solches Loch völlig zerstrahlt ist, nämlich 1066 Jahre! Messen können wir diese Strahlung nicht, weil sie von der viel "wärmeren" und überall vorhandenen kosmischen Hintergrundstrahlung völlig überdeckt wird.


Die Intensität der Hawking- Strahlung hängt direkt von der Masse des Schwarzen Lochs ab.

Je kleiner das Loch, umso schneller verdampft es
Je kleiner das Loch, umso schneller verdampft es
Je kleiner das Loch ist, umso kürzer ist auch die Strecke, die ein virtuelles Teilchen zurücklegen muss, damit es ein reelles wird. Wenn das Loch nach und nach an Masse verliert, steigt damit im selben Maß seine Temperatur an, die Wellenlänge der Strahlung wird kürzer und energiereicher. Am Ende wird es wohl in einem immensen Gammastrahlungsausbruch vergehen. Jetzt können wir auch verstehen, warum ein primordiales Loch eine bestimmte Mindestmasse (etwa 500 Milliarden Tonnen) aufweisen muss, damit es heute noch existiert. Kleinere Löcher wären längst verdampft! Wir sind also imstande, die Existenz primordialer Minilöcher nachzuweisen, indem wir den Himmel nach Gammastrahlenausbrüchen durchforsten. Diese GRB's (Gamma- Ray- Burst) sind den Astronomen schon länger bekannt, allerdings fand man bisher stets andere Entstehungsursachen, deren Energieausstoß auch viel höher ist. Der Nachweis primordialer Löcher ist bislang noch nicht gelungen.


Kehren wir noch einmal zurück zu den vier Hauptsätzen der Thermodynamik. Die folgende Tabelle gibt eine kurze, allgemeine Übersicht der einzelnen Sätze. Für Schwarze Löcher können wir ebenso vier Hauptsätze aufstellen, mit denen sich ihre Dynamik beschreiben lässt. Die einzelnen Sätze sind sich erstaunlich ähnlich, ihre Bedeutung verdanken wir Stephen Hawking. Die etwas seltsame Bezeichnung 0. Hauptsatz rührt übrigens daher, dass die anderen 3 Sätze bereits vor seiner Entdeckung existierten.

ThermodynamikSchwarzes Loch
0. Hauptsatz
Alle Teile eines Systems im thermischen Gleichgewicht haben dieselbe Temperatur (wobei Temperatur eine intensive Größe ist, d.h. sie ändert sich nicht mit der Größe des Systems).Alle Punkte auf dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs im Gleichgewicht haben dieselbe Gravitation (das gilt selbst für Kerrsche Löcher, auch hier ist der Horizont kugelförmig).
1. Hauptsatz
Wärme ist eine Energieform. Der 1. Satz beschreibt, wie sich verschiedene Energieformen während eines zeitlichen Ablaufs ineinander umwandeln können. In einem abgeschlossenen System bleibt die Gesamtenergie konstant (Satz der Energieerhaltung).Der Satz besagt, wie sich Masse, Rotation und Drehimpuls als Funktion der Fläche und Oberflächengravitation bei einem Prozess ändern (z.B. Akkretion eines Sterns)
2. Hauptsatz
In einem abgeschlossenen System kann die Entropie im zeitlichen Verlauf nur zunehmen. Die Entropie im Universum strebt einem Maximum zu. Natürliche Prozesse sind irreversibel (nicht umkehrbar). Die zu Boden gefallene Kaffeetasse kann höchstwahrscheinlich nicht von selbst wieder auf den Tisch springen.Die Oberfläche eines Schwarzen Lochs kann im zeitlichen Verlauf nur zunehmen. Selbst ein isoliertes Loch vergrößert seine Oberfläche durch Strahlungs- und Teilcheneinfang.
3. Hauptsatz
Der absolute Nullpunkt (0 [K] = -273,15° C) kann niemals durch eine endliche Folge von Prozessen erreicht werden. Die Entropie eines perfekten Kristalls am absoluten Nullpunkt ist Null.Die Oberflächengravitation eines Schwarzen Lochs kann niemals durch eine endliche Folge von Prozessen auf Null gebracht werden. Dieser Zustand entspräche dem Grenzfall des mit Maximal Kerr rotierenden Loches (a = 1). Dieser kritische Wert ist in der Natur nicht erreichbar.


Damit kommen wir zum Schluss zu den allerkleinsten Schwarzen Löchern. Teilchenphysiker in aller Welt erhoffen sich vom neuen LHC (Large Hadron Collider) des CERN in Genf, einem der größten Teilchenbeschleuniger, neben vielen anderen Forschungen (z.B. dem inzwischen gelungenen Nachweis der Higgs- Teilchen, sodann Erkunden Dunkler Materie und Energie), auch die Möglichkeit, Schwarze Mikrolöcher minimaler Masse zu erzeugen. Die Energien, die in diesem Beschleuniger erreicht werden können, sollten dazu jedenfalls ausreichen. Die Lebensdauer solcher Löcher wäre natürlich extrem gering, da sie sofort nach ihrer Entstehung in ultrakurzer Zeit wieder zerstrahlen. Dennoch könnten solche Experimente unser Wissen über Schwarze Löcher um einiges erweitern. Bisher ist jedoch noch keines dieser Mikrolöcher erzeugt worden.

Häufig schon wurde in der Öffentlichkeit die Befürchtung geäußert, dass die künstlich erzeugten Mikrolöcher eine ernsthafte Gefahr für die Erde und die Menschheit darstellen. Schließlich verschlingt ja ein Schwarzes Loch jede Materie, derer es habhaft werden kann!
Wir aber wissen es jetzt besser. Bevor das Mikroloch mit der Akkretion beginnen könnte, wäre es längst verdampft...