Die Geschichte des Universums
Teil 5 - Die Millennium- Simulation
Das Virgo Konsortium
Die Simulation
Kosmische Geschichte
Viel haben wir bis jetzt in den letzten 4 Kapiteln der kosmischen Geschichte erfahren. Wir sahen, wie das All eventuell entstanden sein könnte, welche Entwicklungsstufen es durchlebte und auch wie die düstere Zukunft aussehen mag. Unsere Wissenschaftler haben in den vergangenen 100 Jahren aus unzähligen Beobachtungen wie in einem riesigen Puzzle ein Mosaiksteinchen nach dem anderen zu einem umfassenden Bild zusammengefügt - zur Chronik des Universums.
Nun mag sich mancher fragen, ob dieses Bild auch tatsächlich der Realität entspricht. Kann die Historie nicht auch einen ganz anderen Weg gegangen sein? Wissenschaftler sind von Natur aus sehr skeptisch und hinterfragen jedes Ergebnis mehrfach - so lange, bis völlige Sicherheit herrscht.
Das betrifft auch die kosmische Geschichte und aus diesem Grund fand sich ein internationales wissenschaftliches Team zusammen, um sie zu überprüfen. Dieses Virgo- Konsortium ist eine Gruppe von Kosmologen aus Deutschland, England, Kanada, USA und Japan. Im Jahre 2005 führten sie die bislang größte Computer- Simulation durch, die so genannte Millennium- Simulation.
Wir sahen ja, dass die Beobachtung des Mikrowellenhintergrundes durch die Weltraumlaboratorien COBE, WMAP, Planck eine Fülle von Daten über den frühen Kosmos lieferten. Auch haben wir eine Vorstellung über den Materieinhalt des Universums und damit zusammengenommen die Anfangsbedingungen des Weltalls. Mit diesen Daten unter Beachtung der physikalischen Gesetze - vor allem des Gravitationsgesetzes - und der Expansion der Raumzeit sollte man mit einem Rechner die kosmische Entwicklung vom Jahr 380 000 (nach dem Urknall) bis zur Gegenwart simulieren können. Wenn unsere Theorien stimmen, dann müsste das Endergebnis der Simulation mit den heutigen Beobachtungen korrespondieren.
Was eigentlich sehen wir, wenn wir eine Abbildung des kosmischen Mikrowellenhintergrundes betrachten?
Wenn wir also das WMAP- Bild betrachten, sehen wir im Prinzip das mehr als mikroskopisch kleine Quantenrauschen des Vakuums - nur dass es durch die kosmische Expansion stark vergrößert wurde. Inzwischen ist auch die Materie gebildet, die allerdings nur 4% der Energiedichte ausmacht, demgegenüber stehen 21% der gleichzeitig entstandenen Dunklen Materie. Während sich die Dunkle Materie entlang der gebildeten Strukturen ungestört ansammeln konnte, blieb dies der Materie verwehrt. Sie wechselwirkte sehr stark mit der dominierenden Strahlung, die jede kleinste Kräuselung sofort glättete. Die Dunkle Materie jedoch wechselwirkt nur über die Gravitation. Deshalb ist die Simulation in der Hauptsache eine Entwicklungsgeschichte der Dunklen Materie - die normale Materie mit ihrem geringen Anteil spielt verblüffenderweise nur eine untergeordnete Rolle.
Mit freundlicher Genehmigung von NASA/WMAP Science Team
Unser Universum ist riesig und es beherbergt eine große Materiemenge. Dementsprechend schwierig ist es, eine Computersimulation so zu gestalten, dass sie den reellen Gegebenheiten möglichst nahe kommt. Ein wesentlicher Faktor ist dabei die Anzahl der gewählten Teilchen Dunkler Materie, die letztendlich die Verteilung und Entwicklung der Galaxien aufzeigen werden. In der Millennium- Simulation wurde die sagenhafte Anzahl von 10 Milliarden Teilchen eingesetzt, um möglichst detaillierte Aussagen zu bekommen. Jedes dieser fiktiven Teilchen repräsentierte rund 1 Milliarde Sonnenmassen, wodurch sich im Endeffekt die Entwicklung von über 20 Millionen Galaxien verfolgen ließ.
Quelle: CISL, Computational & Informations Systems Laboratory
Schon lange rätselt man, wie es zur Entwicklung der Quasare gekommen ist. Hier haben wir es ja mit Galaxien zu tun, in welchen sehr massereiche Schwarze Löcher werkeln, mit Milliarden von Sonnenmassen. Da es sich um sehr junge Galaxien handelt ist es eigentlich verwunderlich, dass es schon in der Frühzeit des Universums solch massereiche Boliden gab. Immerhin sind wir ja heute relativ sicher, dass die Entwicklung von kleineren zu größeren Strukturen (z.B. Galaxien) hin verlief. In der Millennium- Simulation zeigte sich aber dann doch, dass einige dieser massereichen Schwarzen Löcher bereits wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall vorhanden waren und in ihren Wirtsgalaxien zu den schwersten Objekten des Universums heran reiften.
Die im Alter von 380 000 Jahren vorhandenen feinsten Schwankungen der Dichte sind also der Ausgangspunkt der Simulation. Anfänglich sehr langsam, beginnt sich unter der gravitativen Wirkung die Materie an den Orten erhöhter Dichte anzusammeln, so dass sich die Dichte weiter erhöht. Das verstärkt die Gravitation, wodurch die Zusammenballung der Dunklen Materie beschleunigt wird. Es kommt nun aber nicht zum völligen Kollaps, vielmehr wird die Gravitationsenergie umgesetzt in eine chaotische Bewegung der Teilchen - in kinetische Energie. Die Dunkle Materie erzeugt so eine Art Gasdruck, welcher der einwirkenden Gravitation entgegengerichtet ist - es stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein: Die Halos aus Dunkler Materie formieren sich. Unterstützt wird dies durch die normale Materie, die sich der gravitativen Wirkung der Halos nicht entziehen kann und sich dort ansammelt. Auch ihr Gasdruck wirkt stabilisierend auf die Halos.
Der Gasdruck ist immer auch ein thermischer Druck: Jede Verdichtung führt zu einer Temperaturerhöhung (das weiß jeder, der schon mal eine Fahrrad- Luftpumpe betätigt hat), das ist auch im aus Helium und Wasserstoff bestehendem kosmischem Gas der Fall. Ist der thermische Druck so groß wie die nach innen gerichtete Gravitation, verhindert er eine weitere Kontraktion. Erst nach Abkühlung des Gases können aus ihm Sterne und Galaxien entstehen.
Bitte folgen Sie auch den unten angegebenen Links, um weitere, detaillierte Bilder und Videos der Simulation anzusehen.
In den nebenstehenden Bildern a bis d ist die Entwicklung der Halos zu verfolgen, und zwar von der anfänglich feinen Strukturierung bis zur heutigen Zeit. Es wird also ein Zeitraum von über 13 Milliarden Jahren simuliert. In diesem Bild hat das Universum ein Alter von 15 Millionen Jahren erreicht, die Strukturen sind erkennbar, aber erscheinen noch verwaschen.
Nach und nach verfestigen sich die Strukturen, bilden ein feines, filamentartiges Netzwerk aus. Entlang dieser unregelmäßigen, fadenartigen Strukturen sammeln sich nach und nach die Halos aus Dunkler Materie an, die unterschiedliche Größen aufweisen können. Die Bilder zeigen einen kleinen, jeweils etwa 800 Millionen Lichtjahre großen Ausschnitt der Simulation. Hier im Alter von einer Milliarde Jahren. Das Universum ist jetzt 4,7 Milliarden Jahre alt. Die Strukturen sind bereits deutlich ausgeprägt. Wo sich die Filamente kreuzen, können besonders massereiche Halos in Erscheinung treten. Sie können mehrere 1015 Sonnenmassen aufweisen, was den größten Galaxienhaufen im Kosmos entspricht, die einige Tausend Galaxien umfassen. Das Universum im Alter von 13,6 Milliarden Jahren. Die Simulation hat den Zustand erreicht, wie wir unseren Kosmos heute beobachten. Entlang der Filamente hat sich die Materie strukturiert, sie umschließen die riesigen Leerräume, voids genannt. Diese sind nicht absolut leer, sondern sie enthalten sehr dünnes Gas - nur eben nicht die komprimierte Materie wie wir sie von den Galaxien kennen. In diesen Bereichen fehlt die sonst dominierende Kraft der Dunklen Materie.
So manch einer mag sich nun fragen, " ...diese paar Farbkleckse sollen jetzt die Geschichte des Universums sein?". Ja, wer sich schon ein wenig für die Entwicklung des Kosmos interessiert hat wird wissen, dass diese immer deutlichere Ausprägung der großräumigen Strukturen wirklich stattgefunden haben muss. Denn genau dieses Bild erhalten wir in der Realität, wenn wir einmal eine große Anzahl beobachteter Galaxien in einer Karte zusammentragen:
Bilder: MPA, Garching
Wie bereits weiter oben erwähnt ist also der Ursprung der heute beobachteten Strukturen, nach der sich die Materie im Weltall ausrichtet, nichts anderes als das stark vergrößerte Quantenrauschen des ehemals mikroskopisch kleinen Ur- Universums, welches sich dann unter dem Einfluss der Gravitation selbstständig weiterentwickelte. Unsere Wissenschaftler haben einmal mehr mit einem ungeheuren Aufwand bewiesen, dass wir es inzwischen durchaus im Prinzip verstanden haben, wie solch ein System Kosmos funktioniert.
Weitere Informationen (Bilder + Filme!)
http://www.mpa-garching.mpg.de/galform/presse/
http://www.youtube.com/watch?v=Y9yQOb94yl0
Eine weitere Untersuchung aus 2014 untermauert nochmals die Ausbildung der großräumigen Strukturen:
Mit freundlicher Genehmigung der ESO
Beobachtungen mit dem VLT (Very Large Telescope) in Chile haben ergeben, dass die Rotationsachsen von Quasaren nicht nur parallel zueinander stehen, sondern sich am Verlauf der größträumigen Strukturen ausrichten. Hierzu wurden 93 Quasare untersucht, die über Milliarden von Lichtjahren entlang der Filamente aufgereiht sind. In den Zentren dieser jungen Galaxien (sie entstanden, als das Universum gerade ⅓ so alt wie heute war) agieren supermassereiche Schwarze Löcher, aus deren Pole fast lichtschnelle Plasmaströme, Jets, schießen. Selbstverständlich kann man weder die Rotation des Schwarzen Lochs noch das der Galaxie direkt beobachten. Doch wird hier auch polarisiertes Licht ausgesendet, aus dessen Richtung (in Kombination mit weiteren Informationen) man auf die Winkelanordnung der Akkretionsscheibe schließen kann und damit auf die Ausrichtung der Rotationsachse. Im Bild ist eine künstlerische Darstellung zu sehen, die aber die Lage der Quasare wiedergibt.