Die Geschichte des Universums
Teil 2
Das Standardmodell
Geschlossenes oder offenes Universum?
Die Planck- Ära
Supersymmetrie und Inflation: GUT- Ära
Der Teilchen- Zoo
Baryogenese
Häufig wird die Frage gestellt, wo denn im Universum der Ort zu finden ist, an dem der Urknall stattfand. Gibt es ihn tatsächlich? Wer das vorherige Kapitel gelesen hat kann die Antwort vielleicht schon geben: Einen solchen Ort gibt es nicht. Den Urknall selbst kann keine physikalische Theorie beschreiben, aber wir wissen, dass erst mit ihm die Materie, Raum und Zeit entstanden. Welche der z.T. recht fantasievollen Spekulationen auch zutreffen mag, alles deutet darauf hin, dass unser Kosmos einmal in einem unfassbar kleinen Zustand begann. Dieses winzige Etwas expandierte irgendwann (der Begriff irgendwann ist an sich schon irreführend, da er eine Zeitangabe macht. Die Zeit entstand jedoch erst mit dem Urknall) und durch irgendeinen Auslöser. Wir befinden uns heute irgendwo mitten in diesem Geschehen, und damit ist der Ort des Urknalls überall im Universum, er ist das Universum.
Sehen wir uns aber nun die Geschichte des Kosmos ein wenig näher an, das Standardmodell zur Entstehung des Universums.
Viele Gründe sprechen heute für dieses Standardmodell:
- Wie bereits besprochen, die kosmische Hintergrundstrahlung (CMB),
- die Rotverschiebung der Galaxien, die auf eine fortschreitende Expansion des Universums hinweist,
- das Grenzalter der ältesten Sterne, es finden sich keine Sterne, die älter als etwa 13 Milliarden Jahre sind,
- und nicht zuletzt die Verteilung der Elemente im Kosmos (vor allem von Wasserstoff, Helium und Deuterium), die sehr gut mit den theoretischen Voraussagen übereinstimmt.
Jede Expansion muss einen Anfang haben, so auch unser Kosmos, der zum Zeitpunkt Null entstand. Darauf kommen wir, wenn wir die Geschichte des Universums wie in einem Film rückwärts laufen lassen. Alles zieht sich zusammen, wird immer kleiner bis sich schließlich ein Punkt (?) zum Zeitpunkt Null ergibt? Nein, hier versagen alle physikalischen Gesetze. Wir können den Anfangszustand nicht beschreiben, der den Startschuss vor 13,7 Milliarden Jahren gab. Die Bezeichnung Urknall verleitet häufig dazu, von einer gewaltigen Explosion auszugehen. Eine Expansion wie die unseres Kosmos ist jedoch etwas völlig anderes, denn hier wurde nicht etwas durch eine Kraft zerstört und in alle Richtungen weggeschleudert.
Geschlossenes oder offenes Universum?
Die Expansion des Universums muss mit gewaltiger Kraft stattgefunden haben, da sie ja noch heute anhält. Die Größe der Expansionsgeschwindigkeit verrät uns die Hubble- Konstante, sie ist abhängig von der im gesamten Kosmos vorhandenen Masse und Energie, kurz Energieinhalt genannt. Ist er groß genug, wird eines fernen Tages die Expansion durch die Eigengravitationswirkung (auch Energie wirkt gravitativ!) zum Stillstand kommen und sich umkehren. Dann wird eine Kontraktion einsetzen, die alle Materie wieder letztendlich in einem Punkt, einer Singularität zusammenzieht (Big Crunch). Damit dies geschehen kann, muss die Energiedichte über der so genannten kritischen Dichte von rund 10-26 [g/cm3] liegen. Die Energiedichte wird durch die Gravitationskonstante angezeigt, aus ihr und dem Hubble- Parameter ergibt sich die kritische Dichte zu:
Ein solches Universum mit überschrittener kritischer Dichte nennt man geschlossen, da es nur bis zu einer bestimmten, durch die Gravitation der Gesamtmasse erlaubten Größe expandieren kann und anschließend wieder kontrahiert.
Im Gegensatz dazu steht ein offenes Universum, wenn die kritische Dichte unterschritten wird. Es würde bis in alle Ewigkeit weiter expandieren und den Kältetod sterben. Irgendwann wäre der gesamte Kosmos auf den absoluten Nullpunkt (0 [K] oder -273 [°C]) abgekühlt, stockfinster und ohne jegliche Strahlung, in 1014 Jahren würden die letzten Sterne erlöschen. Nur Schwarze Löcher gäbe es noch im All, kalte Neutronensterne, Schwarze Zwerge und natürlich völlig verwaiste, tote Planeten. Nach 1064 Jahren lösen sich in einem solchen Szenario die Galaxien auf und vielleicht nach 10600 (!) Jahren wäre selbst der härteste Eisenkern zerfallen. Zu diesem Zeitpunkt, der auch bis 101000 Jahre währen kann, verdampfen auch die größten Schwarzen Löcher.
Wird der Wert der kritischen Dichte gerade erreicht, leben wir in einem flachen Universum. Demnach könnte durch die Eigengravitation der Materie und Energie im All die Expansion irgendwann zwar zum Stillstand kommen, sich jedoch nicht mehr zu einer Kontraktion umkehren. Auch hier wäre der Kältetod unausweichlich. Den aktuellen Messungen nach ist die kritische Dichte jedoch sogar knapp unterschritten, womit das Universum bislang als ein offenes gilt.
Doch zurück zum Urknall. Zum Zeitpunkt Null interpolieren wir das gesamte Universum als in einem einzigen Punkt, einer Singularität, vereinigt. In diesem Zustand gingen die Ausdehnung gegen unendlich klein, Druck und Temperatur gegen unendlich groß. Unter diesen Bedingungen war es ohne Zeit und Raum, denn Zeit als Kontinuum und auch der Raum verlieren unterhalb der Planckzeit (10-43 [s]) bzw. der Plancklänge (10-35 [m]) ihre Eigenschaften. Den Zeitraum zwischen Null und der Planckzeit nennt man die Planckära. Möglicherweise gab es so etwas wie ein primordiales (urzeitliches) Quantenvakuum von vollkommener Symmetrie und mit beliebig vielen Dimensionen. So wie in einem uns geläufigen Vakuum spontan virtuelle Teilchenpaare entstehen können, war es im primordialen Quantenvakuum vielleicht möglich, dass spontane Symmetriebrechungen auftraten. Aus einer solchen Symmetriebrechung könnte das Universum entstanden sein - zumindest hilft uns diese Vorstellung, die Singularität zu vermeiden. Welche Entwicklungen sich im Kosmos während der Planckära abspielten, ist mit unserer bisherigen Physik nicht erfassbar. Auch ist es bisher nicht gelungen, hierzu eine Theorie zu entwickeln. Erst mit dem Ende der Planckära setzt die kosmische Entwicklung ein, die für uns beschreibbar ist. Nun entstehen viele aufeinander folgende, einzelne kurze Entwicklungsphasen, deren Betrachtung höchst interessant ist.
Zur Planckzeit ist der Kosmos 1032 [K] heiß, hat eine Größe von 10-35 [m] und eine Dichte von 1094 [g/cm3]. Aufgrund der Unschärferelation, welche besagt, dass man niemals gleichzeitig den Aufenthaltsort und den Energieinhalt eines Teilchens beliebig genau bestimmen kann ist das All noch so klein, dass man nicht entscheiden kann ob es ein Teilchen umschließt oder nicht. Es muss irgendwie "verschmiert" gewesen sein, völlig undefiniert.
Einen tiefen Blick in den jungen Kosmos gestattet diese Aufnahme des XMM-Newton- Röntgenteleskops. In der Falschfarbendarstellung sieht man schwache Quellen in Rot, ihre Energie ist "nur" 500- fach höher als im sichtbaren Licht. 10 000- Mal heller strahlen Quellen in den Farben grün und blau. Diese hellen Röntgenstrahler zeigen Schwarze Löcher in weit entfernten Galaxien. Hier wird die harte Röntgenstrahlung erzeugt, weil Materie durch die Reibung in Akkretionsscheiben extrem erhitzt wird und anschließend in das Schwarze Loch einfällt. Bedingt durch die hohen Temperaturen strahlt die Materie überwiegend im Röntgenbereich.
Mit freundlicher Genehmigung von G. Hasinger (AIP) et al., XMM-Newton, ESA
Supersymmetrie und Inflation: GUT- Ära
Alle Naturkräfte (Gravitation, elektromagnetische Kraft sowie starke und schwache Wechselwirkung) sind bis zur Planckzeit noch in einer einzigen Kraft, der Urkraft vereinigt, Energie und Materie bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Man spricht hierbei von der Supersymmetrie des Alls, weil die einzelnen Kräfte nicht mehr unterscheidbar sind. Im Alter von 10-43 [s] spaltet sich die Gravitation aus der Urkraft, der Vereinigung der Naturkräfte, ab. Die drei anderen Wechselwirkungen bleiben weiterhin in einer einzigen Kraft ununterscheidbar vereinigt, nach der so genannten GUT (Grand Unified Theorie, Große Vereinheitlichung) als X- Kraft bezeichnet. Damit schließt sich an die Planckära die GUT- Ära an.
Die einzelnen Wechselwirkungen werden durch Austauschteilchen übertragen, die man Bosonen nennt. So beispielsweise die elektromagnetische Kraft durch Photonen als Austauschteilchen. Die X- Kraft, die nur eine extrem kurze Reichweite hatte, wurde von z.T. superschweren Bosonen, den X- Bosonen und den Y- Bosonen übertragen. Von jeder Sorte gab es jeweils 3 verschiedene Teilchen sowie die zughörigen Antiteilchen. Zusammen bezeichnet man sie als Leptoquarks, weil sie später in Quarks und Leptonen (Leptonen sind z.B. Elektronen oder Neutrinos) zerfallen. Im Alter von 10-36 [s] spaltet sich die Starke Wechselwirkung ab, es findet eine Symmetriebrechung statt. Das kann man sich als einen Phasenübergang vorstellen, ähnlich dem, wenn flüssiges Wasser in kristallines Eis bei Abkühlung übergeht. Wir sollten uns dabei vor Augen halten, dass unser Universum zu diesem Zeitpunkt noch immer aus "purer Energie" besteht und ungeheuer kompakt und dicht ist.
Die Starke Wechselwirkung ist für den Zusammenhalt der Kernteilchen verantwortlich. Wenn wir Wasser unter Druck abkühlen, so erstarrt es nicht bereits bei 0 [°C] zu Eis, sondern bleibt weiterhin flüssig - es ist unterkühlt. Die Kristallisation tritt verzögert ein, dann aber wird überschüssige Energie spontan freigesetzt. Ähnliches geschah auch im Alter von 10-36 [s], als sich die Starke Wechselwirkung abkoppelte. Bei dieser Symmetriebrechung wurde Energie freigesetzt, die zu einer Beeinflussung des so genannten Quantenvakuums führte. Bisher war es ein normales Vakuum, durch die Unterkühlung kippt es jedoch um und wird in ein Falsches Vakuum verwandelt. Die Energiedichte dieses Vakuums bleibt unverändert, aber sein Druck wird negativ und wirkt gravitativ abstoßend. Das bläht nun unseren Kosmos exponentiell auf! Alle 10-35 Sekunden verdoppelte er seine Größe, der ganze Zauber war aber bereits im Alter von 10-33 [s] wieder vorüber, das falsche Vakuum ging wieder ins echte über und die Expansionsrate normalisierte sich.
Diesen Zeitabschnitt nennen wir die Inflationsphase.
Das Modell des inflationären Universums geht auf den Physikprofessor Alan Guth zurück. Zwischen den Zeitabschnitten 10-35 [s] und 10-33 [s] dehnt sich das Universum um etwa den Faktor 1030 auf. Das bedeutet, dass es sich in einem Zeitraum von nur 10-32 [s] vom Durchmesser 10-52 [cm] auf 10 [cm] aufbläht. Das Universum ist aber immer noch so heiß, dass sich gemäß Einsteins berühmtester Gleichung E = mc2 ständig Teilchen und Energie (die in Form von Strahlung das All erfüllt) ineinander umwandeln - Teilchen und Energie befinden sich im thermischen Gleichgewicht.
Bevor wir uns weiter in der Geschichte des Universums vorwärts bewegen, ist es sinnvoll, wenn wir uns mit den wichtigsten Teilchen vertraut machen, aus der unsere Materie aufgebaut ist und die in der Natur eine Rolle spielen. Gemeint sind damit natürlich nicht die leckeren Süßspeisen, die wir so gerne zum Kaffee vernaschen!
Unter elementaren Teilchen verstehen wir winzige Partikel ohne messbare innere Struktur, sie sind also nicht weiter in Subpartikel teilbar. Eine grobe Einteilung können wir anhand des Spins vornehmen, unter dem man sich eine Art Eigendrehimpuls vorstellen kann, der jedoch quantisiert ist und Werte von 0, ½, 1, 2 usw. annehmen kann.
Teilchen mit halbzahligem Spin - Fermionen
Fermionen sind die Grundbausteine unserer gewohnten Materie und haben den Spin ½. Zu jedem Fermion existiert ein Antiteilchen mit entgegengesetzter Ladung. Zum Standardmodell der Teilchenphysik zählen 12 Fermionen, die wir in Quarks und Leptonen einteilen. Quarks weisen dabei eine Farbladung (rot, blau und grün, die Ladung hat in Wirklichkeit aber nichts mit einer Farbe zu tun) auf, die Leptonen dagegen nicht:
Quarks existieren in 6 "Geschmacksrichtungen" ("flavour", die Physiker sind manchmal nicht zimperlich bei der Namensgebung von Eigenschaften) und wechselwirken über die Farbladung:
- up- Quark (Antiup- Quark)
- down- Quark (Antidown- Quark)
- charm- Quark (Anticharm- Quark)
- strange- Quark (Antistrange- Quark)
- top- Quark (Antitop- Quark)
- bottom- Quark (Antibottom- Quark)
Leptonen wechselwirken nicht über eine Farbladung, kommen aber auch in 6 Geschmacksrichtungen vor:
- Elektron (Positron oder Antielektron)
- Myon (Antimyon)
- Tauon (Antitauon)
- Elektron- Neutrino (Antielektron- Neutrino)
- Myon- Neutrino (Antimyon- Neutrino)
- Tau- Neutrino (Antitau- Neutrino
Die Supersymmetrie sagt weitere Fermionen voraus, von denen bislang jedoch noch keines nachgewiesen werden konnte:
- Neutralino, ein Superpartnerteilchen diverser Teilchen des Standardmodells, ein heißer Kandidat für die Dunkle Materie
- Photino, ein Superpartner des Photons
- Gravitino (Spin 3/2), ein Superpartner des Gravitons (welches ein Boson ist)
Teilchen mit ganzzahligem Spin - Bosonen
Bosonen sind die Austauschteilchen der 4 Wechselwirkungen, dazu gehören:
- Photon (Spin 1) - es überträgt die elektromagnetische Kraft
- W+, W- und Z0- Bosonen (Spin 1) sind die Botenteilchen der schwachen Wechselwirkung, man nennt sie auch Weakonen (abgeleitet von weak force = schwache Kraft). Das W+- Boson mit positiver elektrischer Ladung ist das Antiteilchen des W-- Bosons. Beides sind sehr schwere Teilchen mit extrem kurzer Lebensdauer. Im Gegensatz zum Z0- Boson, das elektrisch neutral ist und sein eigenes Antiteilchen, ist die Existenz der beiden W- Bosonen nachgewiesen.
- 8 Gluonen (Spin 1) übertragen die starke Wechselwirkung. Sie sind verantwortlich für den Zusammenhalt der Quarks, die ihrerseits die Bausteine der Hadronen (Baryonen (Protonen und Neutronen) und Mesonen) sind. Sie tragen Farbladungen (rot, grün, blau) und können daher mit anderen Teilchen mit Farbladungen wechselwirken, somit auch untereinander.
- Das Higgs- Boson, bislang nur theoretisch vom Standardmodell vorausgesagt, verleiht den Teilchen ihre Masse. Inzwischen ist der Nachweis seiner Existenz mit dem LHC (Large Hadron Collider) am Cern gelungen. Es hat keine elektrische Ladung und den Spin 0.
Neuere Theorien postulieren weitere Bosonen, deren Existenzbeweis noch aussteht:
- Das Graviton ist Botenteilchen der Gravitation und spielt eine wichtige Rolle in der Quantengravitation. Es hat den Spin 2.
- Das Graviphoton ist ein weiterer Superpartner des Gravitons mit Spin 1.
- Als Superpartnerteilchen werden so genannte Sleptonen und Squarks vorausgesagt.
- 3 X- und 3 Anti- X- Bosonen sowie 3 Y- Bosonen mit ihren Antiteilchen werden von der GUT vorausgesagt. Man bezeichnet sie auch als Leptoquarks, weil sie in Leptonen und Quarks zerfallen. Zwar auch noch nicht nachgewiesen, ist ihre Existenz sehr wahrscheinlich, da sie am Ende der GUT- Ära in genannte Bestandteile zerfielen und so erst die uns bekannte Materie entstehen konnte. Insgesamt liegen damit 24 Bosonen vor uns, 12 des Standardmodells (1 Photon, 3 Weakonen und 8 Gluonen) und die 12 schweren Bosonen, die bis über tausendmal schwerer als ein Proton sein konnten.
Bisher haben wir nur elementare Teilchen betrachtet, die nicht weiter teilbar sind. In der Natur haben wir es jedoch häufig mit Teilchen zu tun, die aus anderen, eben den elementaren Bausteinen zusammengesetzt sind. Da ist zunächst die Gruppe der Hadronen, Teilchen, die der starken Wechselwirkung unterliegen und aus Quarks zusammengesetzt sind. Bestehen sie aus je einem Quark und einem Antiquark, sprechen wir von Mesonen, je 3 Quarks setzen sich zu einem Baryon zusammen (bzw. 3 Antiquarks zu einem Antibaryon):
- Mesonen haben den Spin 0 oder 1 und sind sehr kurzlebige Teilchen. Zu ihnen zählen z.B. das Pion, das Kaon oder das Eta- Meson.
- Baryonen haben einen halbzahligen Spin und gehören damit der Klasse der Fermionen an (alle Teilchen sind entweder ein Fermion oder ein Boson, da entweder halbzahliger oder ganzzahliger Spin). Fermionen unterliegen dem Pauli- Prinzip und zu ihnen zählen wir neben den Baryonen wie Proton und Neutron auch die Leptonen und Quarks.
Der "Teilchenzoo" beinhaltet heute noch weitere, exotisch anmutende Teilchen wie
- Tetraquarks, Partikel aus je 2 Quarks und Antiquarks, Pentaquarks bestehen aus zwei Up-, zwei Down- und einem Antistrange-Quark
- So genannte Glueballs sind zwar noch nicht nachgewiesen, ihre Existenz ist jedoch wahrscheinlich. Sie sind ausschließlich aus Gluonen zusammengesetzt, tragen eine Farbladung und unterliegen der starken Wechselwirkung
- Hybriden bestehen aus einem oder mehreren Quark- Antiquarkpaaren und einem oder mehreren Gluonen.
Insgesamt kennt man heute einige Hundert verschiedene Teilchen, doch wollen wir uns mit dieser Übersicht begnügen. Damit haben wir nun das Rüstzeug, um in unserer Geschichte des Universums fortzufahren:
Unter der Baryogenese versteht man den kosmischen Zeitabschnitt, in welchem die baryonischen Teilchen entstanden. Er ist gekennzeichnet durch das Auftreten der schweren Bosonen und damit identisch mit der GUT- Ära.
Am Ende der GUT- Ära, also als das Universum ein Alter von 10-36 [s] erreicht, können die schweren Bosonen und Antibosonen nicht länger existieren und beginnen in Quarks und Leptonen sowie deren Antiteilchen zu zerfallen. Nebenstehend ist skizziert, wie ein solches Boson beispielsweise in up- Quarks oder in Antidownquarks und Positronen zerfallen kann.
Wenn aber ein Materie- auf ein Antimaterieteilchen trifft, so zerstrahlen sich beide sofort zu hochenergetischen Photonen (Annihilation)! Das Universum war zu diesem Zeitpunkt noch sehr kompakt und die Teilchenkollisionen daher höchst häufig. Eigentlich sollte man meinen, dass Materie und Antimaterie jetzt exakt im selben Verhältnis auftraten. Zu unserem Glück bestand aber eine Asymmetrie in diesem Verhältnis, sonst würde das Universum heute keine Materie enthalten!
Wie aber ist das Missverhältnis von Materie zu Antimaterie zu erklären? Materieteilchen sollten exakt dieselben Wechselwirkungen zeigen wie ihre Antiteilchen, da beide gleich sind bis auf ihre spiegelverkehrten Eigenschaften.
Der russische Physiker Andrei Dmitrijewitsch Sacharow (1921 bis 1989) hat dazu eine Erklärung gefunden. Wenn wir uns einmal in einem Spiegel betrachten und unseren Körper in Gedanken exakt in eine rechte und linke Hälfte spalten, so erscheinen uns beide Hälften auf den ersten Blick spiegelsymmetrisch zu sein. Erst bei genauerem Hinsehen erkennen wir kleine Unterschiede, z.B. Sommersprossen. Nun stellen wir uns naiv ein Teilchen als kleines kugelförmiges Gebilde vor. Es sollte noch mehr als unsere Körperhälften symmetrisch sein, und zwar in allen Richtungen. Das trifft in der Tat auch auf die meisten Teilchen und ihre Wechselwirkungen zu, man sagt die Parität (P) sei erhalten (Parität = Gleichwertigkeit). Eine Ausnahme macht dabei aber die schwache Wechselwirkung. Teilchen haben neben dieser räumlichen noch eine andere wichtige Eigenschaft, ihre Ladung. Auch hier gibt es eine Symmetrie, denn zu jedem Teilchen existiert ein entgegengesetzt geladenes Antiteilchen. In unsere Welt übersetzt würde das bedeuten, dass es neben Hühnern auch Antihühner gäbe. Seien wir froh, dass uns zum Frühstück keine Antieier serviert werden*! Diese als Ladungskonjugation bezeichnete Symmetrie (C, von engl. charge, Ladung) verwandelt also ein Teilchen in ein Antiteilchen unter Umkehr der Vorzeichen aller elektrischer Ladungen. Die schwache Wechselwirkung ist auch hier wieder für Ausnahmen zuständig.
* Man könnte zu diesem Zeitpunkt die Vorliebe des Autors für dieses gefiederte Vieh in jedweder Zustandsform vermuten, womit man gar nicht so falsch liegt...
Sacharow fand nun heraus, dass im frühen Kosmos die CP- Symmetrie bei der Paarvernichtung verletzt gewesen sein muss, und zwar um einen Faktor von 6 x 10-10. Der oben angedeutete Zerfall der X- Bosonen (sowie der dort nicht aufgezeigten Antibosonen) muss also leicht asymmetrisch gewesen sein. Das bedeutet im obigen Beispiel, dass die Wahrscheinlichkeit des Zerfalls in zwei up- Quarks etwas wahrscheinlicher war als derjenige in ein Positron und ein Antidown- Quark. Konkret haben die Teilchenphysiker eine solche CP- Verletzung bislang beim Zerfall so genannter K- Mesonen ("Kaonen") nachgewiesen. Sacharow (richtig geschrieben eigentlich Sakharov) stellte nun 3 Bedingungen auf, die erfüllt sein mussten, damit aus dem symmetrischen Anfangszustand des Universums eine Asymmetrie während der Baryogenese auftreten konnte:
- B- Verletzung
Hierunter versteht man eine Verletzung der Nettobaryonenzahl. Das bedeutet, dass zwischen Baryonen und Antibaryonen irgendwie ein Missverhältnis entstanden sein muss. Dieser offensichtliche Zustand ist im frühen Kosmos eingetreten, aber schwierig zu erklären. Denn bis heute wurde noch kein Prozess mit einer B- Verletzung beobachtet. - CP- Verletzung
Das kombinierte Zusammenwirken von Parität und Ladungskonjugation verwandelt ein Teilchen in sein Antiteilchen. CP ist dabei symmetrisch, muss jedoch verletzt gewesen sein. Nehmen wir als Beispiel ein Teilchen X, welches in Protonen zerfällt. Dann muss auch sein Antiteilchen in Antiprotonen zerfallen, wobei die Anzahl beider Teilchensummen identisch sein sollte. Bei einer CP- Verletzung tritt Asymmetrie auf: - Verletzung des thermischen Gleichgewichts
So lange sich das Universum im thermischen Gleichgewicht befindet, muss statistisch gesehen die Anzahl der Teilchen mit derjenigen der Antiteilchen übereinstimmen. Das ist deshalb so, weil die einzige intrinsische Eigenschaft der Teilchen, von der die Gleichgewichtsverteilung abhängt, die Teilchenmasse ist. Es gibt nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass wir glauben müssten, die Massen von Teilchen und ihren Antiteilchen seien unterschiedlich. Da sich aber ein Überschuss von Teilchen ergab, muss das thermische Gleichgewicht verletzt gewesen sein.
Dass eine CP- Verletzung auftreten kann, haben wir schon weiter oben am Beispiel der Kaonen gesehen. Sie allein ist jedoch nicht ausreichend, den Materieüberschuss zu erklären, zuwenigst muss auch eine B- Verletzung stattgefunden haben.
Nach der Abspaltung der starken Wechselwirkung blieben noch die elektromagnetische Kraft und die schwache Wechselwirkung zur elektroschwachen Kraft vereinigt übrig. In ihr könnte die Ursache zur Erschaffung unserer Materie liegen. Denn diese Kraft erlaubte Wechselwirkungen zwischen Quarks, also Baryonen, und Leptonen. Solche Wechselwirkungen bezeichnet man als Sphaleron- Prozess bzw. -Übergang. Botenteilchen dieser Wechselwirkungen waren die bereits oben erwähnten X- Bosonen. Der Sphaleron- Prozess ist ähnlich dem Quantentunneln von Teilchen.
Der Tunneleffekt spielt bei der Fusion von Wasserstoff in der Sonne eine bedeutende Rolle. Normalerweise würden die gleichnamigen, positiven Ladungen der Protonen sich gegenseitig abstoßen. Die Teilchen stehen somit vor einer unüberwindlichen Energiebarriere. Die Natur hat in der Quantenwelt jedoch ein Hintertürchen eingebaut: Ein Teilchen kann hin und wieder diesen "Energieberg" einfach wie durch einen Tunnel überwinden. Nur hierdurch ist es den Protonen möglich, miteinander zu verschmelzen.
Die Wechselwirkung der Baryonen mit den Leptonen stand vor einem ähnlichen Problem. Sie war nur durch den Tunneleffekt möglich, der normalerweise so extrem gering ist, dass wir ihn nicht in der Natur beobachten. Im frühen Kosmos jedoch war so viel an thermischer Energie vorhanden, dass der Übergang stattfinden konnte. Möglicherweise war die Temperatur sogar so hoch, dass die Energiebarriere völlig verschwand. Hierbei trat dann eine B- Verletzung (sowie eine L- Verletzung, Verletzung der Leptonenzahl L) auf. Das Sphaleron zeigt uns damit, dass tatsächlich eine Verletzung der Baryonenzahl und der CP- Symmetrie gegeben war.
Es gibt auch Hinweise darauf, dass gemäß der elektroschwachen Theorie eine Verletzung des thermischen Gleichgewichts möglich war. Wenn man in einen Topf mit kochendem Wasser sieht, erkennt man leicht, dass sich auf dem Boden Blasen von Wassergas bilden. Ähnliches könnte sich damals zugetragen haben, nur unter umgekehrten Bedingungen. "Blasen" könnten sich im abkühlenden All entwickelt haben. Innerhalb dieser Blasen haben Teilchen Masse, die uns gewohnte Physik ist gültig und die Sphaleron- Prozesse sorgen für die Asymmetrie der Baryonenzahl. Sie verlaufen hier jedoch extrem langsam und spielen kaum eine Rolle.
Außerhalb jedoch herrscht ein wahrhaft mysteriöser Zustand - die Teilchen sind masselos. Die Blasen dehnen sich aber aus und verdrängen alles, was außerhalb ist. Dort fehlt aber die Energiebarriere der Sphaleron- Prozesse, weshalb hier eine überaus starke Verletzung der Baryonenzahl auftritt. Bei andauernder Expansion der Blasen müssen die Teilchen durch die Blasenwand ins Blaseninnere diffundieren und erzeugen hier die endgültige Verletzung der Baryonenzahl.