Dimensionen der Welt
Teil 2

Kehren wir nun zunächst einmal kurz zum Anfang des ersten Teils zurück. Dort wollten wir mit dem Auto zum Polarstern fahren, einem ziemlich sinnlosen Unterfangen von rund 3,5 Milliarden Jahren. Doch diese bereits beeindruckende Zahl soll uns den Weg in die richtig großen Dimensionen unserer Heimat weisen - unserem Universum.

Unser Auto
Unser Auto
Bleiben wir zunächst im Auto sitzen und nehmen uns eine übersichtliche Strecke vor - eine Umrundung der Erde. Der Umfang unseres Planeten von rund 40 000 [km] stellt kosmisch gesehen eine Winzigkeit dar, auch wenn es bereits sehr schwer fallen dürfte, sich diese Distanz vor dem geistigen Auge vorzustellen! Mit unserem Auto bewältigen wir diese Umrundung in "nur" rund 308 Stunden, das sind knapp 13 Tage Nonstop und natürlich ohne Berücksichtigung von Hindernissen wie Gebirgen oder Meeren. Im Düsenjet geht's schon schneller: Bei etwa 900 [km/h] schafft er eine Runde in nur noch 44 Stunden. Wehe aber, wir wollten die Erde erwandern. Bei gutem Schritt erkämpfen wir 5 [km] in der Stunde und müssen ganze 333 Tage und Nächte ohne jede Pause laufen. Blasen und Hühneraugen dürften die Folgen solcher Vorhaben sein...


Versuchen wir jetzt, unser Sonnensystem zu erobern. Zum nächstgelegenen Himmelskörper, dem Mond, ist es astronomisch ja nur ein Katzensprung - rund 384 000 [km]. Wie lange brauchen wir mit dem Auto? 123 Tage Nonstop - das ist immerhin ein Viertel Jahr! Selbst mit dem Jet fallen noch 18 Tage reine Flugzeit an - wir brauchen also etwas Schnelleres, wenn wir weiter hinaus ins Sonnensystem wollen.

Doch gemach, zunächst einmal müssen wir überhaupt die Erde verlassen können! Um das zu erreichen, ist nämlich eine bestimmte Geschwindigkeit erforderlich, die Fluchtgeschwindigkeit. Nur wenn sie erreicht oder überschritten wird, kann die Gravitation der Erde überwunden werden. Wollen wir gar das Sonnensystem verlassen, ist eine noch höhere Geschwindigkeit notwendig, weil wir auch die Anziehung von Sonne und Planeten zu überwinden haben. Die unterschiedlichen Fluchtgeschwindigkeiten nennt man auch kosmische Geschwindigkeiten:

Nach Überwindung dieser Probleme können wir nun unsere (imaginäre) Rakete auftanken und den Kosmos erobern. Eine Saturn V beispielsweise, die für die Apollo- Mondlandungen benutzt wurde, erreichte 39 000 [km/h] als "Reisegeschwindigkeit". Durch die Beschleunigungs- und Abbremsphasen dauerte die Reise zum Mond jedoch immerhin noch rund 95 Stunden. Das ist jedenfalls schneller als unser Auto. Doch wir wollen uns nicht länger mit dem Mond aufhalten, sondern "richtige" Entfernungen zurücklegen!


Wir sind ab jetzt stolze Besitzer eines hypermodernen Raumschiffes, das beliebige Geschwindigkeiten erreichen kann und dazu nicht einmal beschleunigen muss. Da wir sofort mit fast Lichtgeschwindigkeit fliegen, passieren wir in nur 3 Minuten bereits den Mars, der mit 55 Millionen [km ]zufällig seinen erdnächsten Punkt eingenommen hat. Mit dem Auto würde man diese Strecke in 17 600 Tagen bewältigen, immerhin 48 Jahre...

Was wir auf unserer folgenden Reise vernachlässigen sind die relativistischen Effekte! Unsere Borduhr würde, von der Erde aus gesehen, viel langsamer gehen. Und eigentlich müsste sich die Raumzeit in Flugrichtung vor uns zusammen stauchen, wodurch wir deutlich geringere Strecken zurücklegen müssten. Das alles übersehen wir zunächst einmal großzügig...

Da uns etwas langweilig ist, versuchen wir uns einen Maßstab unseres Sonnensystems auszudenken, um die Distanzen leichter zu verstehen. Wir verkleinern einfach alles um den Faktor 1 Milliarde. Aha, die Sonne hat jetzt einen handlichen Durchmesser von 1,4 Metern. Unsere gute Erde ist nur noch 13 Millimeter groß und umrundet die Sonne in 150 [m] Entfernung. Auf den Riesenplaneten Jupiter stossen wir nach 750 Metern und den 2 Millimeter großen Pluto erst nach 6 [km]. Bis zum nächsten Stern, Proxima Centauri, muss unser Modell auf 40 000 [km] ausgedehnt werden...

Inzwischen sind 50 Minuten vergangen und wir passieren mit fast Lichtgeschwindigkeit den Gasriesen Jupiter, der sich gerade seinem Apogäum (erdfernster Punkt) von 967 Millionen [km] nähert. Nachdem wir nun 1 Stunde und 20 Minuten seit unserem Start unterwegs sind, füllt Saturn unseren Bildschirm aus. Wir haben jetzt bereits 1 425 000 000 [km]zurückgelegt. Wie lange würde wohl das Auto hierzu benötigen? 1251 Jahre Nonstop...!

Erst am Abend unseres ersten Reisetages, nach knapp 7 Stunden, fliegen wir am äußersten Zwergplaneten des Sonnensystems, Pluto, vorbei. Er entfernt sich bis zu 50 [AE] (Astronomische Einheiten) von der Erde, das sind 7 484 935 000 [km]. Im Auto wären wir nach 6570 Jahren längst zu Mumien geworden! Nun wird es etwas langweilig, wenn auch das Schiff immer wieder von Erschütterungen geplagt wird. Das ist eine Folge der ständigen Kollisionen mit Kometen und kleineren Trümmerstücken, denn wir durchfliegen gerade den Kuiper- Gürtel. Erst nach 69 Stunden Flugzeit (500 [AE]) haben wir ihn hinter uns gebracht. Die ständigen Einschläge der Bruchstücke hören dennoch nicht auf, denn wir müssen nun auch noch die Oortsche Wolke überstehen. Wir können uns nun aber bequem zurück lehnen und unsere Freizeit genießen, zu sehen gibt es vorerst nicht mehr viel. In 2,4 Jahren werden wir dann endgültig die äußersten Regionen des Sonnensystems erreicht haben. Wohlgemerkt, wir fliegen ohne Unterbrechung mit fast Lichtgeschwindigkeit! Unser Auto müsste da schon etwas länger fahren, 19 717 953 Jahre!


Langsam wird es wirklich langweilig im Schiff. Wir sind jetzt schon fast 4 Jahre seit unserem Start unterwegs und durchkreuzen überwiegend nichts als leeren Raum.

System Alpha Centauri
System Alpha Centauri
Nun endlich gibt es etwas zu sehen! Vor uns erscheinen, schnell größer werdend, 3 Sterne. Es sind die der Erde nächstgelegenen Mitglieder des Systems Alpha Centauri. Zunächst stoßen wir auf Proxima Centauri, einem dunklen, roten Zwergstern mit nur 11 % der Sonnenmasse, der 4,2 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Etwas weiter weg, in 4,4 Lichtjahren Erddistanz, sehen wir Alpha Centauri A, ein sonnenähnlicher Stern, der aber heller wie die Sonne strahlt. Begleitet wird er von einem dunklen Stern, der nicht einmal halb so hell wie die Sonne ist, obwohl seine Masse 90 % der Sonnemasse beträgt.

Mit freundlicher Genehmigung von ESO/NASA

Vergeblich halten wir Ausschau nach Planeten und setzen enttäuscht unsere Reise fort.


Unser Schiff ist ja hypermodern und mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet. Als nächstes Ziel unserer Expedition haben wir das Milchstraßenzentrum anvisiert. Weil die Reisedauer nun doch stark unsere Nerven strapazieren wird und aller Komfort des Schiffes keine Abwechslung mehr bietet, lassen wir uns in einen Tiefschlaf versetzen. Der Bordrechner ist schon programmiert und wird uns pünktlich aufwecken...

Leider sehen wir nicht das wunderbare Schauspiel, wenn unser Schiff an unzähligen großen und kleinen, jungen und alten Sternen, an Planetensystemen, in prächtigen Farben leuchtenden Gasnebeln vorbeizieht. Nur der Bordcomputer zeichnet alles zu Archivierungszwecken auf.

Milchstraßenzentrum
Milchstraßenzentrum

Eines Morgens öffnen wir verschlafen die Augen und gehen zur Steuerungszentrale. Deutlich sind leichte Erschütterungen des ganzen Schiffs zu spüren. Erschrocken geht unser Blick zum Kalender: Wir haben fast 25 000 Jahre geschlafen! Ein Blick durch unsere Außenoptik, die automatisch auf den Röntgenbereich umgeschaltet hatte, lässt uns den Grund der Schiffserschütterungen erkennen: Wir sind nahe dem Milchstraßenzentrum. Explodierende Sterne und deren Druckwellen, Gammastrahlen und Röntgenblitze durcheilen den Raum. Unkontrolliert umherirrende Neutronensterne fordern die Navigationsautomatik bis fast an ihre Grenze. Und fast magisch wird unser Blick auf das gigantische Mahlwerk im Zentrum gelenkt: Das rotierende Schwarze Loch von rund zweieinhalb Millionen Sonnenmassen! Allein sein Ereignishorizont hat einen Durchmesser von fast 8 Millionen [km], den wir natürlich nicht sehen können. Wir sehen aber den blendendweißen Feuerball zerrissener und hoch erhitzter Materie (etwa Bildmitte), die das Loch als Akkretionsscheibe umgibt. Wir beschließen ziemlich schnell, diesen ungastlichen Ort umgehend zu verlassen.

Mit freundlicher Genehmigung von NASA/CXC/UCLA/MIT/ M.Muno et al


Fast haben wir es vergessen: das mit 130 [km/h] fahrende Auto hätte bis zum Milchstraßenzentrum 207 Milliarden Jahre benötigt...

Inzwischen haben wir eingesehen, dass es sinnlos wäre wieder zur Erde zu fliegen. Dort kennt uns inzwischen niemand mehr. So nehmen wir uns vor, die Andromeda- Galaxie zu besuchen. Um die Flugzeit zu verkürzen, schalten wir jetzt Einsteins Gesetze wieder ein und genießen fortan die Vorzüge der Raumstauchung, die uns den Weg in Flugrichtung deutlich verkürzt. Eine kurze Berechnung mit dem Bordcomputer zeigt, dass durch unsere Geschwindigkeit von 99,999999 % der Lichtgeschwindigkeit die Strecke von rund 2,2 Millionen Lichtjahren auf nur 220 Lichtjahre schrumpft. Eine Prüfung der Triebwerke zeigt, dass sogar 99,99999999% Licht möglich sind: Die Distanz zur Andromeda beträgt dann nur noch 22 Lichtjahre! Das reicht uns gerade für ein kurzes Nickerchen in der Tiefschlafkammer...

Andromeda- Galaxie
Andromeda- Galaxie
Gut erholt begeben wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück an die Monitore: Da schwebt sie vor uns, die Andromeda- Galaxie mit ihren 6 Begleitern, alles kleine Zwerggalaxien. Unsere Heimat, die Milchstraße, sah eigentlich ähnlich aus, jetzt erkennen wir sie nur noch als blasses kleines Fleckchen. Während wir die Galaxie aus einiger Distanz betrachten, tönen aus dem Funkempfänger seltsam anmutende Klänge. Es sind wohl künstliche Signale, von unzähligen fremden Intelligenzen produziert, die in der Andromeda beheimatet sind. Kontakt wollen wir jedoch lieber nicht zu ihnen aufnehmen, denn jetzt haben wir den festen Entschluss gefasst, uns das ganze Universum anzusehen. Milchstraße und Andromeda- Galaxie gehören beide zur Lokalen Gruppe , einem kleinen Galaxienhaufen. Nun wollen wir aber einmal einen richtig großen Haufen aus der Nähe zu Gesicht bekommen!

Bild: Copyright Jason Ware


Die nächste Etappe unserer Reise führt nun in wirklich kosmische Distanzen. Während die bisherigen Ausflüge nur "Steinwürfe" waren, werden wir jetzt die riesigen Leerräume des Universums durchqueren müssen. Wir hatten ja viel Freizeit, und die wurde genutzt, um den Antrieb besser kennen zu lernen und zu optimieren. Jetzt können wir noch viel näher an die "Lichtmauer" heran und unsere Reisezeit in angenehme Abschnitte lenken.

Virgo- Cluster
Virgo- Cluster

Unser nächstes Ziel heißt Virgo- Haufen, es ist der uns nächstgelegene Galaxienhaufen. Aus dem Bordarchiv entnehmen wir, dass er aus rund 2500 Galaxien besteht, die sich in einem Abstand von 50 Millionen Lichtjahren zur Erde befinden. In seinem Zentrum stehen die Galaxien so nahe, dass Kollisionen oder Beinahezusammenstöße an der Tagesordnung sind. Spiralgalaxien, wie unsere Milchstraße oder die Andromeda haben hier kaum eine Überlebenschance. Für unsere Reise hierhin, die wir nun schon hinter uns haben, brauchten wir dank Einsteinscher Physik nur noch 50 Jahre, da wir die Geschwindigkeit auf 99,9999999999% der Lichtgeschwindigkeit steigern konnten. Tja, das Auto? Es müsste 4 x 1014 Jahre fahren...

Bild: CFHT

Der Virgo- Haufen (Virgo= Sternbild Jungfrau) bildet zusammen mit der Lokalen Gruppe und einem weiteren Galaxienhaufen im Sternbild Haar der Berenike (Coma- Haufen, Coma Berenices) einen so genannten Supercluster, den Lokalen Superhaufen. Der Virgo- Haufen, der selbst schon eine Ausdehnung von 10 Millionen Lichtjahren hat, bildet dabei mit seiner riesigen Masseansammlung das Zentrum des Superhaufens. Durch seine Gravitation wird die Lokale Gruppe mit etwa 100 bis 400 [km/s] dort hingezogen. Die Galaxien des Virgohaufens haben durch die große Massekonzentration im Zentrum enorme Eigengeschwindigkeiten von bis über 1500 [km/s]. Zwischen den Galaxien finden sich viele Einzelsterne und Planetarische Nebel, die wohl durch die Wechselwirkung der Galaxien untereinander verloren gingen.


Unsere Geschwindigkeit hatten wir natürlich gedrosselt, um die Schönheit der riesigen Galaxienansammlung aus gehöriger Distanz in Ruhe zu bewundern. An diesem Schauspiel kann man sich fast nicht satt sehen und es geht einem durch den Kopf, wie viel bewohnte Planeten es dort draußen wohl geben mag. Schließlich detektieren unsere Empfangsgeräte auf allen Wellenlängen einen undefinierbaren Wirrwarr künstlicher Signale in der Nähe fast jeder Galaxie...

Doch wir wollen uns ja weiter steigern und beschließen, nun auch eine noch größere Struktur im Universum aufzusuchen, den Sculptor Supercluster. Wir lassen schon einmal die Triebwerke warm laufen, denn dieser Superhaufen ist rund 1 Milliarde Lichtjahre von der Erde entfernt! Dabei hat er die gigantische Ausdehnung von 250 Millionen Lichtjahren.

Unsere Geschwindigkeit haben wir jetzt auf den fantastischen Wert von 99,999999999999999% der Lichtgeschwindigkeit steigern können, bei diesem Tempo ist für uns die restliche Strecke von 950 Millionen Lichtjahren nur noch lächerliche 30 Lichtjahre lang. Bevor wir uns einmal mehr "kurz auf's Ohr legen", interessieren uns nochmals die großen Strukturen im Kosmos und wir blättern deshalb im Bordarchiv.

Wir lesen:

Die große Mauer
Die große Mauer

Bis etwa 1989 waren die Galaxiensuperhaufen die größten bekannten Strukturen im Universum, sie werden getrennt durch riesige, Millionen von Lichtjahren große Blasen leeren Raums, die man voids nennt. Erst im genannten Jahr gelang es den Astronomen Margaret Geller und John Huchra anhand von Rotverschiebungen eine dreidimensionale Galaxienkarte zu erstellen. Sie fanden dabei eine gigantische Struktur, einen Galaxienbogen von 500 Millionen Lichtjahren Länge. Bei einer Tiefe von 200 Millionen Lichtjahren ist diese ungeheure Materieansammlung, welche Die große Mauer getauft wurde, nur 15 Millionen Lichtjahre dick. Wir sehen im unteren Bild das so genannte Geller- Huchra- Männchen, eine Anordnung der bis dahin insgesamt 1732 gezählten Galaxien in etwa menschenähnlicher Gestalt. Die "Arme" bilden dabei die Große Mauer. Darüber sehen wir den Sloan Great Wall (siehe auch weiter unten), eine auf 11 243 Galaxien erweiterte Darstellung der Großen Mauer.

Großer Attraktor
Großer Attraktor
Schon 1986 wurde eine ähnliche Materieansammlung erkannt, der Große Attraktor. Er liegt zwischen 150 und 250 Millionen Lichtjahren von der Erde entfernt in Richtung der Sternbilder Hydra und Centaurus. Diese Masse zieht unzählige Galaxien über Millionen von Lichtjahren an. Was wir hier als leuchtende Materie in Form von Galaxien sehen, macht nur einen Bruchteil der Masse aus, etwa 5 bis 10- Mal mehr dürfte in der unsichtbaren Dunklen Materie verborgen sein. Die im Bild zu sehenden Galaxien sind Teil eines Clusters mit Namen ACO 3627, der sich nahe dem Zentrum des Großen Attraktors befindet. Dieser auch als Norma Cluster bekannte Haufen war lange nicht untersucht, weil der Staub in der Scheibe der Milchstrasse den größten Teil seines Lichts verschluckt

Mit freundlicher Genehmigung der ESO

Sloan Digital Sky Survey (SDSS)
Sloan Digital Sky Survey (SDSS)
Auf einem Foto finden wir noch ein Bild einer umfangreichen Himmelsdurchmusterung, dem so genannten Sloan Digital Sky Survey (SDSS). Hier wurden insgesamt 205 443 Galaxien bis in eine Entfernung von 2 Milliarden Lichtjahren zunächst in einer 2D- Darstellung (rechtes Bild) vermessen, und anschließend aus ihren Spektren die Distanz zur Erde ermittelt. Als Ergebnis erhielt man eine 3D- Karte von Galaxien, die sich nahe dem Himmelsäquator befinden. Jeder Punkt stellt eine Galaxie dar, die Farben symbolisieren die Leuchtkraft. Dargestellt sind hier allerdings nur 66 976 Galaxien.

Mit freundlicher Genehmigung von http://www.sdss.org

Vielleicht können wir auf unserem Flug noch größere Strukturen ausfindig machen? Jetzt wird es aber erst einmal Zeit für die Schlafkammer!


Eine kleine Ewigkeit später...

Völlig erschöpft und schlaftrunken entsteigen wir unserer Tiefschlafkammer. Mit einem ersten Blick in die Kommandozentrale erkennen wir sofort: Irgendetwas stimmt hier nicht! Der Sculptor- Cluster, den wir uns eigentlich ansehen wollten, liegt bereits weit hinter uns. Allem Anschein nach hat die Automatik versagt und uns viel zu spät geweckt. Es ist aber nicht mehr zu ändern: Wir sind nun schon 8 Milliarden Lichtjahre von daheim entfernt. Ein Blick auf den Monitor der Außenoptik lässt uns das Missgeschick jedoch schnell vergessen und uns fast eine Gänsehaut über den Rücken laufen:

Die jüngsten Galaxien
Die jüngsten Galaxien

Mit freundlicher Genehmigung von: NASA, ESA, S. Beckwith (STScI) und HUDF Team

Der Anblick ist einfach fantastisch! Wir sehen direkt auf Tausende von Galaxien, die fast so alt sind wie das Universum selbst. Unsere Analysatoren bestätigen die Vermutung: Diese Galaxien sind gerade mal zwischen 1 und 2 Milliarden Jahre alt! Wenn wir dort hinfliegen, und das ist jetzt unser Ziel, sind wir etwa 11 oder 12 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Unser Auto? Es müsste 10 x 1016 Jahre fahren, um so weit zu kommen. Um genau zu sein:

9 968 914 647 000 000 Jahre!

Der entfernteste Quasar
Der entfernteste Quasar
Wir durchsuchen den Galaxiendschungel nach einem für uns interessanten Objekt und stoßen auf den entferntesten Quasar, den je ein Mensch von der Erde aus erblickte. Er trägt die Bezeichnung GB1508+5714 und ist 12 Milliarden Jahre von der Erde entfernt. Ein solch junges Objekt wollen wir uns doch einmal aus der Nähe ansehen! Und die nächsten 4 Milliarden Lichtjahre sind bei unserer noch weiter gesteigerten Reisegeschwindigkeit fast eine Kleinigkeit. Also machen wir uns wieder auf den Weg...

Mit freundlicher Genehmigung von Stephen Kent, SDSS Collaboration

Ein paar Jahre später...

Der Quasar
Der Quasar
Wir haben unser letztes Ziel erreicht, sind fast 12 Milliarden Lichtjahre durchs Universum gereist und sehen jetzt den sehr jungen Quasar GB1508+5714 vor uns im Raum stehen. Es ist eine junge Galaxie, in deren Zentrum ein riesiges Schwarzes Loch umgebende Materie förmlich an sich reißt. Ganze Sterne werden zerrissen und unbarmherzig in den Mahlstrom aus ultrahoch erhitzter Materie gezogen. Dabei bewegt uns der Gedanke, wie sich wohl so kurz nach der Entstehung des Universums ein Schwarzes Loch mit milliardenfacher Sonnenmasse gebildet haben mag...

Mit freundlicher Genehmigung von Wolfram Freudling et al., (STECF), ESO, ESA, NASA

Gerade, als wir errechnen, dass wir die unglaubliche Distanz von über 113 Trilliarden, 1.13 x 1023 [km] zurückgelegt haben, das sind

113 526 432 000 000 000 000 000 [km],

fällt uns auf, dass wir einem fatalen Irrtum unterlegen sind. Das was wir hier sehen, kann unmöglich der Quasar sein! Das Bild, welches die irdischen Astronomen aufgenommen hatten, zeigte den Quasar ja in einem Alter von etwas mehr als 1 Milliarde Jahre. Jetzt aber, wo wir hier sind, ist er 12 Milliarden Jahre älter! Und vor allem, er hatte 12 Milliarden Jahre Zeit, sich weiter durch die Expansion des Alls von der Erde zu entfernen. Der Quasar, den wir suchten, ist längst auf und davon und aus unseren Blicken entschwunden. Was unsere Außenoptik zeigt, ist ein völlig unbekanntes Objekt...


Was nun? Am Ende unserer Reise mangelt es an lohnenswerten Zielen. Zur Erde zurückkehren? Nein, das wäre völlig sinnlos, denn sie ist längst im Glutball der zum Roten Riesen aufgeblähten Sonne vergangen. Sie existiert nicht mehr, und die Sonne ist nur noch ein sich langsam abkühlender Weißer Zwerg.

Wir könnten vielleicht beginnen, die Sterne des Universums zu katalogisieren? Bei der geschätzten Anzahl von über 10 Trilliarden eine kaum zu bewältigende Aufgabe.
Die Hoffnungslosigkeit unserer Lage wird uns jetzt richtig bewusst. Im Bordarchiv finden wir noch einige Angaben, wie es mit dem Universum weitergehen wird: in etwa 1014 Jahren werden die letzten Sterne im All verlöschen - es wird absolut finster. In 1032 Jahren könnten die Protonen zerfallen - die Atome lösen sich auf. In jedem Fall aber werden sich die Galaxien in 1064 Jahren auflösen. Die stabilsten Objekte im All, die Schwarzen Löcher, verdampfen in 10600 Jahren...

Wir wollen gar nicht weiter darüber nachdenken, diese Zeiträume sind einfach unvorstellbar groß. So beschließen wir, die Rakete nochmals zu starten und in einer hübschen Galaxie einen bewohnbaren Planeten zu suchen, auf dem wir den Rest unserer Tage verbringen können...

Damit sind wir nun am Ende unserer Fantasie- Reise durch den Kosmos angelangt. Wir sahen dabei, dass unsere Welt bei der Winzigkeit von 10 -35 [m] beginnt und wir bis in eine Distanz von 1026 [m] vorgedrungen sind (wobei das Universum noch wesentlich größer ist!). Immerhin haben wir damit 61 Größenordnungen überwunden - für uns ist das nicht mehr vorstellbar, lediglich auf's Papier können wir die nackten Zahlen schreiben. Es wäre jedoch schön, wenn Sie durch unseren kleinen Ausflug in die Dimensionen eine Vorstellung von dem bekommen haben, was unser Universum alles beinhaltet. Von der kleinsten Bettwanze bis zum Galaxiensupercluster: Das alles ist die Welt, in der wir leben.

Im nachfolgenden dritten Teil können Sie die Größenordnungen anhand von Beispielen nochmals nachvollziehen.