Ich sehe das ähnlich wie du, Diagnostiker.
Ich finde auch genauso Stellen in dem Text, wo ich stockte... "Ach nee! Glatteis!"
Im Grunde hast du, Pippen, ja auch einiges aus dem Text in der bisherigen Diskussion schon angebracht, das aus meiner Sicht damit genügend abgehandelt wurde und nicht noch einmal ausgerollt werden muss.
Vielleicht hätte man diesen Text von Bär/Paulin früher einbringen und verlinken können.
Ich finde dort auch Dinge, die für mich nach Kategorienfehler ausschauen.
Was eine "Möglichkeit" ist, gehört für mich eigentlich auch erörtert.
Mir scheint nämlich, dass diese im Text verdinglicht wird.
Dass man das darf, ist aber nicht ohne Weiteres klar. Man kann "Möglichkeit" statt als (exitierendes) Ding in der (äußeren) Welt auch einfach als Ausdruck unseres Unwissens verstehen, ohne Bezug zur äußeren dinglichen Welt.
Und aus unserem Unwissen bezüglich einer Sache folgt selbstverständlich nicht, dass diese Sache notwendig exitieren muss...
Weiterhin wissen wir seit Gödel, dass:
Der erste Unvollständigkeitssatz besagt, dass es in allen hinreichend starken widerspruchsfreien Systemen unbeweisbare Aussagen gibt. Der zweite Unvollständigkeitssatz besagt, dass hinreichend starke widerspruchsfreie Systeme ihre eigene Widerspruchsfreiheit nicht beweisen können.
https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6de ... gkeitssatz
Das bedeutet u.a., dass es nicht in allen Fällen nur die beiden Wahrheitswerte "wahr" und "falsch" geben kann, sondern auch noch den Wert "unbestimmt".
Und auch eine S5-Modallogik wird weder ihre eigene Widerspruchsfreiheit beweisen können, noch ihre eigene Wahrheit bezüglich der Welt, noch dass sie als Absolutes über der Welt steht.
Es gibt einige andere Punkte, die wir aber wie gesagt früher schon besprochen haben.
Diagnostiker hat geschrieben: ↑10. Jun 2022, 05:47
Das läuft dann also auf das hinaus, was Descartes schon in seinen "Meditationen" schrieb: Wir haben die Vorstellung von einem unendlichen Wesen in uns als Idee, und da wir selber nicht unendlich sind, muss es Gott selber sein, der in uns diese Idee eingepflanzt hat, so dass er existiert. Hatten wir also schon mal in der Geschichte, nur mit weniger Formelkram als Beiwerk. Na ja ...
Genau! Na, ja... die theologischen Fakultäten probieren so Dinge halt...
Diagnostiker hat geschrieben: ↑9. Jun 2022, 20:38
Die Anwendung des Münchhausen-Trilemmas auf sich selbst führt zu der Erkenntnis, dass wir nicht wissen, ob es falsch ist, aber wir wissen auch nicht, ob es nicht falsch ist, so dass die Möglichkeit besteht, dass es richtig ist. Und dann hat der Beweisführer ein Problem ...
Ja. Und zudem auch, weil es eben hier um "Möglichkeit" in Form unses Nicht-Wissens geht und nicht um ein "da draußen existierendes Ding Möglichkeit".
Pippen hat geschrieben: ↑10. Jun 2022, 02:38
2. Der Beweis setzt verdammt wenig voraus. Er zeigt dadurch auf den Punkt, was wir verklausulierter und umständlicher seit Jahrtausenden wissen: nämlich dass - gegeben o.g. Voraussetzungen - in uns eine transzendente Ahnung angelegt ist, die auf "etwas" jenseits unseres Erkenntnisuniversums zeigt. Dieses "etwas" "existiert", es "hat" genau die gegenteiligen Eigenschaften unseres Erkenntnisuniversums. Und genau hier haben wir den Urgrund für Religionen: da "ist" was "draußen über uns ... und das ist nicht der Sternenhimmel". Das ist nicht irgendein fixer Gedanke irgendeiner melancholischen Oma abends im Kerzenschein, das ist harte analytische Folgerung! Wer das nicht wahrhaben will, der muss bestreiten, dass o.g. Voraussetzungen erfüllbar sind und damit sich selbst argumentativ kastrieren.
Damschen macht das gut und vermeidet zB Anselm's Definitionsfauxpas. Meine Meinung.
Der Text ist besser als Anselms Versuch, das ja.
Aber noch zum Urgrund der Religionen... an der Stelle möchte ich etwas über den Menschen erzählen:
Der Mensch hat sich deshalb vom Tier abheben können und "sich die Welt untertan" machen können, weil er ab einem gewissen Punkt in der Lage war in extrem großen Gruppen zu kooperieren: Menschen, die sich nicht persönlich kannten, konnten ohne große Probleme kooperieren.
Wie war das möglich?
Es wurde durch das Geschichten-Erzählen möglich!
Der Mensch ist der Geschichten erzählende Affe:
Er hat Kraft seiner Fantasie irgendwann angefangen sich fiktive Geschichten über Dinge auszudenken, die es in der objektiven Welt gar nicht gibt und hat diese durch erzählen unter seinesgleichen verbreitet. Diese Geschichten bzw. Narrative wurden auch an die jeweils nächste Generation vererbt.
Sobald genug Leute an gemeinsame Geschichten glaubten, wurden dadurch außerst wirkmächtige intersubjektive Wirklichkeiten geschaffen.
"Intersubjektiv" deshalb, weil die Existenz solcher Geschichten nicht von Einzelnen abhängt und auch den Tod einzelner Individuen überdauern und weder objektiv sind, noch rein subjektiv, eben intersubjektiv: Dinge, die deshalb -und nur deshalb- existieren, weil alle daran glauben, dass sie existieren.
Zusammen bildet die Gesamtheit der gerade dominaten umlaufenden Geschichten/Narrative, an die alle (oder die meisten) glauben, ein sehr feines und dichtes, sehr wirkmächtiges und zwingendes Gespinst aus, das es erst ermöglicht, dass größere Gesellschaften zusammenhalten können.
Sie sind auch der eigentliche Kern dessen, das man "Kultur" nennt und wirken auch bis in den innersten Kern des Denkens jedes einzelnen Subjekts innerhalb so einer Gemeinschaft zurück.
Und wehe dem, der in irgendeiner Kultur lebt und offen nicht an deren Kerngeschichten glaubt und/oder diesen offen zuwider handelt!
Keine Kultur duldet das ab einer gewissen Grenze und es wird dann immer bestraft.
Mythen, Sagen, Legenden, Heldengeschichten, Geschichten über Gott und die Welt, über Leben, Tod, Werte, Moral, Ansichten, richtig, falsch, usw.
Religionen stützen sich auch alle im Kern auf eine solche selbsterfundene fiktive Geschichte.
DAS ist der Kern der Religionen!
Auch aller Ideologien, auch solcher Dinge wie "Staat", "Volk", "Geld", "Eigentum", "Gesetz", "Recht", usw., usf.
Ein wichtiger Punkt ist hierbei:
Alle menschlichen Religionen sind objektiv falsch!
Einfach deshalb, weil es im Kern Geschichten sind und weil die objektive Realität anders funktioniert als in Geschichten.