Wahlverhalten, Mathematik und Vektorfelder

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Wahlverhalten, Mathematik und Vektorfelder

Beitrag von Skeltek » 19. Apr 2023, 17:40

Hab eben ein gutes Video gefunden mit einer wirklich guten Erklärung zu einem Sachverhalt, der mir zwar seit langem bewusst ist, aber in seiner Komplexität vielen Leuten kaum vermittelbar ist.
Vektorfelder werden darin nicht erwähnt, aber ich habs mal in die Überschrift genommen, weil das eher dem Model in meinem Kopf entspricht und das Video nur eine vereinfachte Darstellung dessen ist.
YouTube - Spanning Tree - The Mathematical Danger of Democratic Voting
Lässt sich auf vieles übertragen, z.B. das Kürzen von BaFöG, da Studenten eine Minderheit sind und eine große Mehrheit marginal davon profitiert, massive Einbußen für Rentner, weil der Großteil der Bevölkerung arbeitend marginal Steuern spart, egoistisches Ausbeuten eines Landes von vielen anderen Ländern für einen Wirtschaftsvorteil während man die anderen Länder wenig aber signifikant schwächt, Ausspielen von Bevölkerungsgruppen gegeneinander wie Arbeiter versus Arbeitslose während das Problem eigentlich künstlich geschaffener Arbeitsplatzmangel ist usw.

Wenn man mit Leuten argumentiert, verstehen viele den Zusammenhang nicht oder widersprechen prinzipiel um ihre Meinung durch zu boxen. Und wenn man eine so vereinfachte Erklärung wie die im Video findet, werden viele Leute sagen, dass die Realität nicht so einfach sondern viel komplexer ist und die mathematische Erklärung nicht auf die Realität übertragen werden kann (vor allem weil sie nicht in der Lage sind die Parallelen oder den Sachverhalt in der Realität zu erkennen).
Gödel für Dummies:
  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: Wahlverhalten, Mathematik und Vektorfelder

Beitrag von seeker » 19. Apr 2023, 21:25

Bei dem in dem im Video anfangs dargestellen Problem muss man gewichten, z.B. 3 Punkte für Platz 1, 2 Punke für Platz 2, 1 Punkt für Platz 3.

Wenn man das tut, kommt heraus, dass die drei Politiken insgesamt (für die drei dargestellten Wähler insgesamt) gleichwertig sind, insofern sie gleich viele Punkte von den 3 Wählern insgesamt erhalten, es ergibt sich dann:

A = B = C

Von daher kann ich der Anfangs-Argumentation im Video nicht ganz folgen.

Ab etwa Minute 4 wirds dann interessanter, denn da kommt die Gewichtung dann im Prinzip mit rein.
Aber da verstehe ich die Erklärung nicht ganz, warum die 5 Leute nicht die Policy 1 bevorzugen sollten und sattdessen die andere Policy.

Die Fazitaussage des Videos gefällt mir wiederum:
"Wenn man nicht nur rein egositisch wählt, sondern dabei auch an das Wohl der Gesellschaft allgemein denkt, dann ist das am Ende besser für alle."

Aber grundsätzlich:
"Demokratie" bedeutet ganz grundsätzlich NICHT "Die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheiten", ganz und gar nicht!
Wer das meint, der hat noch überhaupt nicht verstanden, was Demokratie ist, will und wie sie funktioniert.

Und das Modell scheint mir doch auch von recht realitätsfernen Voraussetzungen auszugehen, daher scheint mir seine Brauchbarkeit eingeschränkt.
In Wirklichkeit geht es nämlich nicht darum, was objektiv der Fall ist, sondern, was die Leute glauben, was der Fall sei, was ihnen am nächsten stünde, uvm.
Und es geht auch darum, was überhaupt machbar ist und was dann auch tatsächlich gemacht wird.

Wie sagt man so schön? "Die meisten Wähler wählen nicht die Partei, die ihre Interessen am besten vertritt."
Woran liegt das? Da wären wir direkt wieder bei Propaganda, Desinformation, Manipulation, usw. ... aber auch bei Desinteresse, mangelndem Bemühen, Passivität, usw.

Und es ist auch bekannt, dass die Wahlbeteiligung auch deutlich mit Einkommen, Vermögen und Beschäftigungsstatus zusammenhängt.
Je höher dieses ist, desto eher geht man auch wählen:
https://www.armuts-und-reichtumsbericht ... igung.html

Oder nach Alter:
https://www.demografie-portal.de/DE/Fak ... igung.html

Muss man sich dann über Verzerrungen wundern, wenn die armen Leute eh nicht wählen gehen - und wenn sie es tun, sehr oft nicht die Partei wählen, die ihre Interessen am besten vertreten würde, weil sie abgelenkt, schlecht informiert und manipuliert wurden oder ganz einfach denken "Ist ja eh egal, ändert ja eh nichts!" und eh kein Interesse zeigen?

Das ist m.E. ein viel größeres Problem.
Und für Nichtwähler oder "Falschwähler", die sich dann hinterher beschweren, habe ich relativ wenig Verständnis.
Man darf sich bei uns heraushalten, aus der Demokratie, aber dann bitte auch die Klappe halten!
Grüße
seeker


Wissenschaft ... ist die Methode, kühne Hypothesen aufstellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.
Karl Popper

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