Frank hat geschrieben: ↑2. Mär 2021, 18:20
Mir dünkt, der Ralf hatte in der Vergangenheit schon seine "Meinung" über Herrn Brown.
Hallo Frank,
ich weiss, dass ich manchmal - keineswegs grundlos - sehr streng mit Professor Brown bin.
Auch wenn ich das schon öfters getan habe, so sollte man noch einmal das Wirken Mike Brown's in den Zusammenhang setzen, auch auf die Gefahr hin, dass ich zuviele subjektive Vermutungen einbringen.
Zunächst einmal habe ich mir die Frage gestellt, wer denn der bedeutendste Forscher im äusseren Bereich unseres Sonnensystems, also den Bereichen jenseits des Neptuns, ist.
Bei den Top 10 wäre Mike Brown zweifelsohne dabei und bei den Top 3 auch. Und wenn ich mir überlege, wer auf den Plätzen 2 und 3, also der zweit- und der drittbedeutendste dieser Forscher ist, dann wird eigentlich schnell klar, dass Mike Brown da die ganz klare Nummer 1 ist. - Man kann das anders sehen, aber ich denke, dem ist so.
Warum ?
Mike Brown ist ausgezogen, einen weiteren Planeten im Sonnensystem zu finden. Und seine Idee war einfach und genial zugleich, und irgendwie auch naheliegend, aber doch (noch) nicht im Zeitgeist.
Seit sagen wir Mitte des 20.Jahrhunderts suchte man nach dem "
Transpluto", also dem grossen Planeten jenseits der Neptunbahn, den man bei der Entdeckung des Pluto gefunden zu haben glaubte, ehe dann aufgrund seiner schwachen Helligkeit Zweifel daran aufkamen, dass der Pluto wirklich für die nicht vom Neptun verursachten Störungen der Uranusbahn verantwortlich sein kann.
Die Forscher hatten im 19.Jahrhundert festgestellt, dass die Uranusbahn Störungen unterworfen war und daraus einen weiteren Planeten berechnet, der dann auch kurz danach entdeckt wurde, nämlich den Neptun. Tatsächlich ist es heute umstritten, ob der Neptun tatsächlich ein Resultat der Berechnungen war oder nur zufällig in der Nähe der berechneten Position stand, aber Faktum war, dass man ihn entdeckt hatte. Nach einiger Zeit stellte sich nun heraus, dass der neue Planet die Störungen der Uranusbahn zwar teilweise, aber keineswegs vollständig erklären konnte, so dass man einen weiteren Planeten weiter draussen von vergleichbarer Masse gesucht hat, doch hat man "nur" den Pluto entdeckt.
Glaubte man anfangs, der Pluto sei ein sehr dunkler grosser Planet, so weiss man heute, dass er statt dessen eine sehr lichtfreundliche Welt ist, wie man auf dem Vorüberflug der New Horizons-Sonde sehr eindrucksvoll sehen kann. Aber ja - statt ~50000 km Durchmesser nur knapp 2400 km Durchmesser, so dass dann also mehrere Astronomen versuchten, einen weiteren "10.Planeten" zu entdecken, nämlich jenen Transpluto.
Nach dem Vorüberflug der Voyager 2-Sonde an Uranus und Neptun konnte man deren Masse so genau bestimmen, dass sich herausstellte, dass es keine weiteren Bahnstörungen der Uranusbahn gab, d.h. man war einem statistischen Rauschen aufgesessen.
Mike Browns Idee war eine andere: statt einen Transpluto zu suchen suchte er nach "Geschwistern" des Pluto, d.h. er interpretierte den Pluto als trans
neptunisches Objekt und suchte systematisch über mehrere Jahre nach einem weiteren grossen Exemplar, dem er auch schon den vorläufigen Namen "Xena" gab.
Nach in den Fachkreisen durchaus beachteten Anfangserfolgen gelang ihm im Jahre 2002 die Entdeckung des bis anhin grössten Planetoiden unseres Sonnensystems, d.h. eines transneptunischen Planetoiden, der
grösser war als der grösste Planetoid Ceres des Hauptgürtels. Intern erhielt der neue Planetoid den Arbeitsnamen "Mini-Xena", also gewissermassen "Mini-10.Planet". Für diese Entdeckung bekam Mike Brown sogar Beobachtungszeit mit dem Hubble Space Teleskop zugeteilt, um dessen Durchmesser zu bestimmen.
Erstmals eckte er mit den offiziellen astronomischen Kreisen an, weil er dem neuen Planetoiden eigenmächtig den Namen "Quaoar" gab, statt als Entdecker den Namensvorschlag einzureichen und sich dann von der IAU bestätigen zu lassen. Die IAU akzeptierte das einmalig, bat ihn aber, beim nächsten Mal den offiziellen Weg einzuhalten.
Doch Mike Brown dachte gar nicht daran sondern überging die IAU bei seiner nächsten Entdeckung erneut, das war ein Jahr später bei der Entdeckung der "Sedna". Möglicherweise dachte Mike Brown, er könne sich das leisten, weil die Sedna nun wirklich eine völlig unerwartete, geradezu sensationelle Umlaufbahn hatte: sonnenfernster Punkt fast 20x (!!!) weiter draussen als der Pluto, immerhin zwei Drittel so gross wie dieser, also grösser als der Quaoar und neuer grösster Planetoid unseres Sonnensystems und - und das war eigentlich die grösste Sensation: sonnennächster Punkt über 2 ½ mal weiter draussen als der Neptun, also
deutlich ausserhalb des Einflussbereiches des Neptun.
Dieses erneute Übergehen der IAU brachte Mike nun einen Haufen Ärger ein, so dass er nun anfing zu trötzeln und seine Neuentdeckungen kurzerhand namenlos liess. Mike hatte inzwischen weitere grosse Planetoiden, also grösser als die Ceres (und grösser als 1000 km) entdeckt, erst einen davon publiziert, das war "Orcus", doch drei weitere waren noch in Erforschung und deswegen noch nicht publiziert und bei diesen anderen war auch ein
Juwel dabei: der langgesuchte
zehnte Planet !
Die Beschaulichkeit nahm ein jähes Ende, als ein spanischer Astronom, dessen Namen meine Finger sich weigern, in die Tastatur einzutippen, von aussen auf das - ungeschützte - Beobachtungslog von Mike Brown zugriff und einen der drei Planetoiden gestohlen und als eigene Entdeckung verkauft hat; Mike hatte noch grosses Glück, dass der spanische Astronom das so dilettantisch machte, dass er gar nicht merkte, dass er den falschen Planetoiden gestohlen hat und nicht den 10.Planeten, ihn aber trotzdem als 10.Planeten feilbot. Das war die Haumea und über die Erstlingsrechte herrscht bis heute Unklarheit. Mike blieb nun nichts anderes übrig als zu retten was noch zu retten war und publizierte einen Tag später den 10.Planeten und die beiden Planetoiden, also die Eris und die Makemake sowie die gestohlene Haumea; kurze Zeit später entdeckte er auch noch zwei Monde um die Haumea und einen Mond um die Eris. Die sind übrigens gar nicht klein - der Eris-Mond ist rund 700 km gross und der äussere Haumea-Mond bringt es auf über 300 km Durchmesser und ist damit grösser als sämtliche regulären Kleinmonde unseres Sonnensystems.
Mike trötzelte nun also herum und weigerte sich, dem 10.Planeten einen Namen zu geben, zudem befürchtete die IAU, dass die Zahl der Planeten unseres Sonnensystems inflationär anwachsen würde, so dass es eine neue Planetendefinition gab, mit dem Ergebnis, dass Mike Brown’s 10.Planet seinen Planetenstatus wieder verlor und nicht minder schlimm der andere Planet, der von einem Amerikaner entdeckt wurde, nämlich der 9.Planet Pluto, ebenfalls seinen Planetenstatus verlor. Nun, auch 15 Jahre nach diesen Ereignissen wurde noch kein 11.Planet entdeckt, von inflationärem Anwachsen der Zahl der Planeten ist zumindest bis ins Jahr 2021 noch gar nichts passiert.
Mike hat dann die Aberkennung der Planetenstati in der Namenswahl des ehemaligen 10.Planeten berücksichtigt, der nach der Göttin des Streites und Zankes, das ist ja die Eris, benannt wurde, und zudem aus der Not eine Tugend gemacht, sich als derjenige dargestellt, der schon immer für die neue Planetendefinition gewesen sei, und ein Buch geschrieben, in dem er sich als "Plutokiller" gefällt und noch den befremdlichen Untertitel gewählt "und warum er es nicht anders verdient hat".
Ein Jahr später hat noch eine Mitarbeiterin von Mike Brown einen weiteren über 1000 km grossen Planetoiden entdeckt, das war "Gonggong", so dass wir seit dem Jahr 2007 nun 8 Planeten sowie 8 "Zwergplaneten-Kandidaten" mit Durchmessern zwischen 1000 km und 2400 km kennen, letztere mit Ausnahme des Pluto
allesamt von Mike Brown und Team entdeckt.
Doch statt sich nun auf den wohlverdienten und grossartigen Lorbeeren auszuruhen hat sich Mike Brown 9 Jahre später hinreissen lassen, zusammen mit einem Theoretiker die Planet Nine-Hypothese zu formulieren, obwohl er weiss, dass mit Ausnahme des Neptun alle diejenigen, die einen weiteren Planeten unseres Sonnensystems berechnet haben, mit ihrer Vorhersage falsch lagen.
Freundliche Grüsse, Ralf