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Mengen, einmal anders herum

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Mengen, einmal anders herum

Beitrag von seeker » 25. Mai 2014, 10:43

Mengen, einmal anders herum

Eine Möglichkeit verschiedene Zahlenmengen zu begreifen besteht darin den Blick bzw. die Perspektive auf die Elemente einer Zahlenmenge zu richten. So kann man mit endlichen Zahlenmengen anfangen, dann zu den natürlichen Zahlen fortschreiten und kommt dann durch mehrmalige Erweiterungen schrittweise zu anderen Zahlenmengen: die ganzen Zahlen, die rationalen Zahlen, die reellen Zahlen, …

Immer wieder taucht dabei Unbehagen, Verwirrung und Widerwillen auf, wenn es dabei um die auftauchende Frage der Unendlichkeiten geht. Zuletzt war das in dem Thread zu der Beweisbarkeit von unendlichen Mengen der Fall. Außerdem kam dort zwischen mir und Skeltek kurz die Frage auf, ob eine unendliche Menge mehr Eigenschaften als eine entsprechende endliche Menge hat oder im Gegenteil weniger, ob also „unendlich-sein“ eine Eigenschaft ist oder nicht?
Bzw.: Ist es eine Erweiterung, wenn ich z.B. von den natürlichen Zahlen ausgehend schrittweise zu den reellen Zahlen komme oder ist es umgekehrt eine Einengung?

Mein Ansinnen hier ist es eine veränderte Perspektive einzunehmen, die den Fokus nicht primär auf die Elemente oder die Anzahl an Elementen einer Menge richtet, sondern auf die Regeln, die im Prinzip nötig sind um eine bestimmte, gewollte Zahlenmenge zu erhalten. Ich möchte hier nicht eine neue Mathematik vorschlagen, sondern einzig eine zusätzliche Perspektive zur Diskussion anbieten, die es uns in Kombination mit den gewohnten Perspektiven erlauben soll ein besseres Verständnis und eine bessere Intuition für Zahlenmengen zu erlangen.

Ich baue mir eine Menge:
Am Anfang allen Handelns steht die Intention: Ich möchte ein Ding haben, das andere Dinge zusammenfassen kann!
Dieses Ding nenne ich „Menge“, das was es enthält nenne ich „Elemente“.
Meine Menge soll folgende Eigenschaften haben bzw. folgenden Regeln genügen:

1. Meine Menge soll alle Elemente enthalten, die sie enthalten kann bzw. darf

2. Alle Elemente oder Werte sollen gleichartig sein*

3. Kein Element oder Wert soll mehr als einmal vorkommen

4. Meine Menge soll Einzel-Elemente enthalten, denen sich eindeutig Werte zuordnen lassen

5. Die Elemente in meiner Menge sollen eindeutig so geordnet sein, dass jedes Nachfolgerelement eines Elements einen höheren Wert als dieses Element hat und dass jedes Vorläuferelement eines Elements einen geringeren Wert als dieses Element hat.

6. Die Differenz der Werte zwischen zwei aufeinanderfolgenden Elementen soll 1 betragen.

7. Das Element mit dem kleinsten Wert soll den Wert 1 tragen.

8. Das Element mit dem größten Wert soll den Wert 100 tragen.

[*: Damit ist gemeint, dass meine Menge z.B. nur Obst oder nur Zahlen enthalten soll, aber nicht Obst und Zahlen. Wie gleichartig meine Elemente sein sollen müsste man allerdings noch exakt spezifizieren. Aber lasst es mir mal durchgehen. Das kann ja noch getan werden. Es geht mir für den Anfang nur ums Prinzip bzw. die Idee.]

Mit diesen acht Regeln erhalte ich diese Menge hier:

M = {1, 2, 3, …, 98, 99, 100}

So weit so gut. Jetzt wird es interessant:

Was geschieht, wenn ich auf Regel Nr. 8 verzichte?
Ich erhalte diese Menge hier:

M = {1, 2, 3, …}

Das sind aber die natürlichen Zahlen, eine Menge mit unendlich vielen Elementen!
Wichtig bei dieser Perspektive ist, dass ich hier nicht zur Unendlichkeit komme, indem ich eine Regel oder eine Annahme hinzufüge, sondern indem ich eine Regel weglasse!

D.h.: Aus dieser Perspektive wird die Unendlichkeit zu etwas völlig Natürlichem. Sobald ich diese Perspektive verwende lösen sich all meine Bedenken, meine intuitiven Probleme und all mein Hadern bezüglich Unendlichkeiten in Nichts auf! Aus dieser Perspektive ist es evtl. eher noch erklärungsbedürftig, warum es endliche Mengen geben soll, da diese Zusatzregeln bzw. Zusatzannahmen benötigen.


Ich treibe das Spiel weiter und lasse auch Regel Nr. 7 fallen.
Ich erhalte

M = {…, -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, 4, …}

… und damit die Menge der ganzen Zahlen Z.

Weiter:
Ich lasse nun auch noch Regel Nr. 6 fallen und erhalte damit die Menge der reellen Zahlen R.

Man kann sich nun überlegen, was jeweils passiert, wenn man nun auch noch die restlichen 5 Regeln nach und nach aufgibt oder auch nur aufweicht. Was erhält man jeweils?


Nun aber zuerst zu meinem Hauptpunkt:

Wenn aus dieser Perspektive heraus z.B. für die Menge N mehr Regeln notwendig sind (nämlich acht) als für die Menge R (nämlich fünf), dann ist die Menge N die Menge, die mehr Grundeigenschaften hat bzw. mehr Struktur trägt. Also ist die Menge R so gesehen in diesem Beispiel die „einfachere“ Menge!

Interessant ist vielleicht noch die Überlegung, ob es Mengen gibt, die im Grunde meiner ersten (endlichen) Menge M = {1, 2, 3, …, 98, 99, 100} ähneln, aber dennoch weniger als acht Regeln benötigen und somit genauso einfach oder sogar einfacher sind als z.B. die Menge R mit ihren nur 5 benötigten Regeln?
Die gibt es, indem man spezielle statt allgemeine Regeln verwendet!

Beispiel: M = {1}

Diese Menge benötigt (mindestens) nur eine einzige Regel:
1. Meine Menge soll ausschließlich und genau 1x das Element 1 enthalten.

Zweites Beispiel: M = {1, 2, 3, 4}

Diese Menge benötigt (mindestens) folgende Regeln:

1. Meine Menge soll ausschließlich und nur genau 1x die in den Regeln aufgeführten Elemente enthalten
2. Das erste Element meiner Menge soll das Element 1 sein.
3. Das darauf folgende Element soll das Element 2 sein
4. Das darauf folgende Element soll das Element 3 sein
5. Das letzte Element meiner Menge soll das Element 4 sein

… und benötigt somit genauso viele Regeln wie R.

Daher könnte man aus dieser Perspektive heraus argumentieren, dass R und {1, 2, 3, 4} gleich einfach sind.


Was haltet ihr von dieser Perspektive bzw. Idee und dem, was sich daraus ergibt?

Beste Grüße
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von positronium » 25. Mai 2014, 11:59

Ich denke, hier muss man genau aufpassen, wie man eine Menge definiert. Du nennst Beispiele, für welche Du die Eigenschaften rein sprachlich formulierst. Sprache ist aber recht unpräzise, und dürfte deshalb als Grundlage für so etwas streng logisches eher ungeeignet sein.
Man müsste versuchen, die Eigenschaften mathematisch zu formulieren. Dabei fällt aber z.B. auf, dass man durch Weglassen von Regel 6 (nach 7 und 8 ) nicht zu den rationalen oder reellen Zahlen kommt. Es fehlt hier vielmehr eine Eigenschaft, welche die Elemente überhaupt zu Zahlen macht - wenn man keinen Wertunterschied festlegt, bekommt man unter der Voraussetzung doch so etwas wie Zahlen erhalten zu wollen, eine wohl noch nicht benannte Menge. Diese hat aber nichts mit R zu tun, weil z.B. pi oder sqrt(2) als Zahlen ohne Ende fehlen.
Ich vermute, dass man mit der kompaktest möglichen Definition bei Mengen mit unendlich vielen Elementen zu der üblicherweise angegebenen Reihenfolge bzgl. der Anzahl ihrer Eigenschaften kommt. Schwieriger wird es aber, wenn man abgeschlossene Mengen betrachtet. M={1} ist natürlich die kompakteste Definition überhaupt, aber dann wird es schon schwierig. Man müsste ja auch gewichten, wie viel Komplexität eine gewisse Art von Eigenschaft mit sich bringt, also ob man schreibt M={1, 2, 3, 4} oder M={1...4; n+=1} oder von mir aus M=2-(n-2.5)^2>0 && n+=1.

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von seeker » 25. Mai 2014, 14:40

Zur Sprache:
Es geht mir primär darum dem Denken eine zusätzliche Perspektive zu ermöglichen.
Ob sich das auch streng formal fassen lässt oder nicht weiß ich noch nicht.
positronium hat geschrieben:Dabei fällt aber z.B. auf, dass man durch Weglassen von Regel 6 (nach 7 und 8 ) nicht zu den rationalen oder reellen Zahlen kommt.
Ich denke doch, denn durch Regel Nr. 1 muss meine Menge alle Zahlen enthalten, die nicht durch Regeln verboten sind.
Und das ergibt dann durch Aufgabe des Verbots = Regel Nr.6, dass zwischen zwei Nachbarzahlen eine bestimmte Differnz sein muss automatisch die dichtestmögliche Zahlenmenge, eben R.

Auf welche Art man jeweils zur kompaktestmöglichen Definition einer (schon im voraus!) gewollten Menge kommt ist zu überlegen. Es muss ja für jede beliebige Menge eine geben. Also sollte man sie auch finden können. Man muss dazu ja nur genau auseinanderdividieren, wie viele elementare Regeln man denn nun tatsächlich aufgestellt hat.
Das kann manchmal nicht ganz leicht sein - richtig! Manchmal verstecken sich in einer Regel, die nach EINER Regel aussieht, dann doch mehrere Regeln.

Grüße
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von positronium » 25. Mai 2014, 15:25

seeker hat geschrieben:Zur Sprache:
Es geht mir primär darum dem Denken eine zusätzliche Perspektive zu ermöglichen.
OK.
seeker hat geschrieben:
positronium hat geschrieben:Dabei fällt aber z.B. auf, dass man durch Weglassen von Regel 6 (nach 7 und 8 ) nicht zu den rationalen oder reellen Zahlen kommt.
Ich denke doch, denn durch Regel Nr. 1 muss meine Menge alle Zahlen enthalten, die nicht durch Regeln verboten sind.
Du schreibst "alle Zahlen". Aber das ist doch das Problem: Was ist eine Zahl? Man muss Operationen definieren, mit welchen man Zahlen konstruieren kann. Die Regel 6 ist so eine Operation; sie besagt, dass x +/- 1 das nächste Element ergibt. Ohne diese Regel kommt man doch aber nicht weit.
So kann man sagen, dass Addition und Subtraktion zu N bzw. Z führen. Nimmt man die Multiplikation und Division hinzu, kann man Q definieren.
Ohne Regel 6 glaube ich aber nicht, dass man zu R kommt. Um alle Zahlen in R beschreiben zu können, muss man zu +, -, * und / allerlei Algorithmen, auch rekursive und unendliche hinzu nehmen, nicht alles weg lassen.

Hier stellt sich mir die Frage, ob die Elemente in R überhaupt "gleichverteilt" sind. Je nachdem welche Algorithmen man zulässt wird das wahrscheinlich nicht immer der Fall sein. Von daher kann man R vermutlich nicht als unendlich fein unterteilte unendlich lange Gerade betrachten. Vielmehr müsste es Dichteschwankungen geben. Oder liege ich damit falsch?

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von tomS » 25. Mai 2014, 17:00

Die letzte Frage kann man nicht diskutieren, ohne weitere Strukturen auf R einzuführen.

Zunächst mal ist jeder Punkt x in R ein Häufungspunkt, d.h. in einer beliebig kleinen Umgebung liegen immer noch unendlich viele Punkt von R.

Dann ist jedes beliebige offene Intervall ]a,b[ jedem anderen beliebigen offenen Intervall ]A,B[ isomorph, d.h. man kann eine linea Funktion f(x) konstruieren, die die beiden Intervalle aufeinander abbildet. Dabei bleiben insbs. Nachbarschaftseigenschsften erhalten.

Für derartige offene Intervalle kann man auch eine "Dichte" oder "Wahrscheinlichkeitsverteilung" konstruieren. Das ist eng verwandt mit einem sogenannten Maß, d.h. man kann diesen Intervallen eine natürliche Größe, nämlich die Länge L=b-a zuordnen. Dabei zeigt sich, dass sozusagen eine einheitliche Dichte vorliegt, d.h. dass es auf keines dieser Intervalle irgendwie ausgezeichnet oder besonders ist.

Der Gesamtmenge R kann man übrigens keine Länge (Unendlich) und keine Wahrscheinlichkeitsverteilung oder Dichte zuordnen (diese wäre Null).
Gruß
Tom

Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
Sir Karl R. Popper

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von seeker » 25. Mai 2014, 17:04

@positronium:
Das mag sein. Du denke, denkst eben in gewohnten Bahnen.
Verstehst du nicht meine Grundidee?

Normalerweise geht man vom Nichts aus, macht sich dann daraus eine leere Menge und konstruiert dann darauf aufbauend alles andere.
Das folgt dem Grundsatz:

"Es existiert nichts, was nicht explizit erlaubt (aufbauend konstuiert) ist!"

Ich versuche nun das Ganze herumzudrehen, eben mit Regel Nr.1 und konstruiere dann darauf abbauend alles andere.
Das folgt dem Grundsatz:

"Es existiert alles, was nicht explizit verboten (abbauend konstruiert) ist!"

Logisch gesehen sollte beides gleichwertig sein.
Ob sich beides von uns Menschen gleich gut in Formalien pressen lässt ist eine ganz andere Frage.

Verstehst du?

Grüße
seeker
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von Skeltek » 25. Mai 2014, 17:13

seeker hat geschrieben: Interessant ist vielleicht noch die Überlegung, ob es Mengen gibt, die im Grunde meiner ersten (endlichen) Menge M = {1, 2, 3, …, 98, 99, 100} ähneln, aber dennoch weniger als acht Regeln benötigen und somit genauso einfach oder sogar einfacher sind als z.B. die Menge R mit ihren nur 5 benötigten Regeln?
Die gibt es, indem man spezielle statt allgemeine Regeln verwendet!
Dazu kann ich sagen: Was meinst du mit Obst? Das einzige Saft mit 4 Buchstaben und einem "o" darin wäre ja Noin.
Dadurch daß du den Elementen Bezeichner gibst hast du ja bereits das Verhältniss möglicher(&widerspruchsfreier) Relationen zu tatsächlich festgelegten Relationen verschoben.
Wenn du allerdings verlangst, daß der Bezeichner keinerlei Aussagekraft über das Ding selbst haben soll, dann ist dein "gleichartig" nicht verwirklich- oder kontrollierbar. Es könnte tatsächlich alles sein, sogar eine Schnittmenge mit allen anderen bilden(wobei man noch nicht weiß ob Schnittmengenbegriff sinnvoll ist)

Lassen wir mal außen vor, welche Einschränkungen die stark begrenzten Möglichkeiten der formal benutzten Sprache bietet...
Dann hat man doch zunächst nur die Annahme daß man ein "Packet" als fassbare Einheit hat dessen Inhalt alles mögliche sein könnte.
Das könnten nun nach einem möglichen Ansatz
1: singuläre einzelne Dinge sein ohne Schnittmenge(oder Bezug oder konstruierbare Relationen zueinander),
2: das komplementär erstgenannterer Menge bzw jedes enthaltene Element teilt sich dieselbe Schnittmenge, unterscheidet sich von allen anderen aber in einem Teilaspekt(könnte am ehesten gleichartig mit sichergestellter Unterscheidbarkeit darstellen wie du es verlangst; wobei der Besitz der Eigenschaften der gemeinsamen Schnittmenge die Gleichartigkeit festlegen),
3: eine Ansammlung paarweise verknüpfter Relationen, deren Struktur erst die einzelnen Elemente generiert(das heißt wir haben eine Menge an einzelnen Objekten ohne Namen, deren "Art" sich erst aus dem Kontext der Relationen zueinander ergeben kann. Man weiß also nicht was es für Elemente sind, können also alle Dinge darstellen, die genau dieses Set an Relationen zueinander haben. Um was es sich bei den Elementen handelt wäre hier erst durch die Gesammtheit der Menge erkennbar, was eher dem Ansatz der mathematischen Definition eines Körpers entspricht.

Wenn du also sagst die Menge solle Zahlen enthalten, ist das bereits eine Einschränkung auf ein Netzwerk möglicher Relationen. Erst die Relationen spannen eine Arithmetik auf und definieren dadurch die Art der Elemente die enthalten und zu betrachten sind.
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  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von positronium » 25. Mai 2014, 18:58

tomS hat geschrieben:Dann ist jedes beliebige offene Intervall ]a,b[ jedem anderen beliebigen offenen Intervall ]A,B[ isomorph, d.h. man kann eine linea Funktion f(x) konstruieren, die die beiden Intervalle aufeinander abbildet.
Ah, ja. Das liegt eigentlich auf der Hand. :roll: Danke!

seeker hat geschrieben:Verstehst du nicht meine Grundidee?
Doch, verstehe ich schon, aber ich kann hier mit den "alle Elemente" nicht recht etwas anfangen, weil man deren Form nicht kennt. Du schränkst also mit den Punkten ab 2. etwas ein, dessen Eigenschaften unbekannt sind. Vielleicht kann man das stehen lassen, wenn man davon ausgeht, dass in R tatsächlich alle "echten" Zahlen enthalten sind. Aber dann stellt sich die Frage nach u.a. den komplexen Zahlen. Auch ist dann fraglich, was eine "echte" Zahl ist... Bei dem "alle Elemente" kommt mir halt als gleichbedeutend in den Sinn: "alle ermittelbaren Elemente". dann muss man sie aber prinzipiell eben "ermitteln" können.
seeker hat geschrieben:Logisch gesehen sollte beides gleichwertig sein.
Ob sich beides von uns Menschen gleich gut in Formalien pressen lässt ist eine ganz andere Frage.
Damit kannst Du durchaus Recht haben. Vielleicht lässt sich das nur nicht so schön formulieren, anschreiben und beweisen. Möglicherweise sollte man hier auch darauf achten, in welchem Bereich die Zahlen zur Anwendung kommen, also Physik, (abstrakte) Mathematik oder andere Disziplinen. Im Finanzbereich z.B. braucht man sich um komplexwertige oder irrationale Beträge keine Gedanken zu machen. Dort könnte man bestimmt einfach schreiben: "alle möglichen Geldbeträge/Elemente".

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von seeker » 25. Mai 2014, 22:07

Das mit der Gleichartigkeit ist schwierig exakt zu fassen, das gebe ich ja zu.
Das beweist aber noch nicht, dass es unmöglich wäre.

Richtig, indem ich in 4. und 5. festlege, dass meine Elemente Werte haben sollen und geordnet sein sollen muss es in meiner Menge Elemente geben, die ich als Zahlen bezeichnen würde - und damit schlägt jetzt Regel Nr. 2 zu: Da es in der Menge Zahlen gibt, kann es NUR Zahlen darin geben.
Mit Gleichartigkeit muss hier von der Logik her genau das gemeint sein, weil sonstige Angaben nicht existieren.

Das sind aber formale Dinge, die man sicherlich noch besser in den Griff bekommen kann.
Übrigens haben wir ja auch schon gesehen, dass die ganz normale Mathematik bei ihren Konstruktionsverfahren auf ein menschliches Grundverständnis als Konvention bauen muss.
Hier ist es nicht anders. Deshalb muss und darf ich auch hier voraussetzen, dass verstanden wird, was z.B. mit "Obst" gemeint ist.
So schlecht ist unsere Sprache übrigens auch nicht, wenn man sie präzise formuliert: Alle mathematischen Zeichen und Gleichungen, etc. lassen sich eindeutig auch als Worte aufschreiben.
Macht man nur nicht gerne, weil das unnötige Schreibarbeit ist.
Skeltek hat geschrieben:Wenn du also sagst die Menge solle Zahlen enthalten, ist das bereits eine Einschränkung auf ein Netzwerk möglicher Relationen.
Richtig. Und mit Absicht.
positronium hat geschrieben:Doch, verstehe ich schon, aber ich kann hier mit den "alle Elemente" nicht recht etwas anfangen, weil man deren Form nicht kennt.
Nun ja, dem darf ich entgegenhalten: Aber die Form von "Nichts" bzw. "kein Element" bzw. "leere Menge" kennst du?
Ich glaube das ist eher Gewohnheit des Denkens als ein echtes Problem, das man sonst nicht hätte.
positronium hat geschrieben: Aber dann stellt sich die Frage nach u.a. den komplexen Zahlen.
Daran habe ich schon gedacht und das ist kein Problem:
Da die komplexen Zahlen identisch mit RxR sind muss ich nur Regel Nr. 4 aufweichen bzw. abändern:

Aus
"4. Meine Menge soll Einzel-Elemente enthalten, denen sich eindeutig Werte zuordnen lassen"
mache ich
"4. Meine Menge soll Elementpaare enthalten, denen sich eindeutig Werte zuordnen lassen"
... und erhalte die Komplexen Zahlen.

Aber ich ahne schon, wo du bedenken hast: Ich habe damit noch lange nicht die Rechenregeln usw. definiert.
Klar! Aber meinst du, dass das unmöglich ist? Da bin ich nicht sicher.

Wie auch immer:
Was mir bei dieser Perspektive eben besonders wertvoll ist, ist die ganz andere Sichtweise auf die Unendlichkeit.
Sie muss nicht künstlich irgendwie eingebaut oder begründet werden, sondern ist von Anfang an ganz natürlich da.

Bei der normalen Zahlenkonstruktion ist es genau umgekehrt: Dort ist das Nichts als Null oder als leere Menge von Anfang an ganz natürlich da.

Da steckt irgendwo Wahrheit drin:
Wenn die ganze Geschichte mit Nichts und Unendlich nur eine Frage unserer Perspektive ist, dann lässt sich daraus schon etwas lernen, meine ich.
Besonders, da wir als Menschen eben gerne dazu neigen solche Konzepte auch gedanklich auf die Natur zu übertragen und auch dort verwirklicht zu sehen oder zu vermuten.
Mindestens betrachten wir die Natur stets durch die rosarote Brille unserer Konzepte. Wir können gar nicht anders.
Deshalb ist es gut, wenn wir verschiedene Brillen zur Auswahl haben.

Beste Grüße
seeker
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von positronium » 25. Mai 2014, 22:34

seeker hat geschrieben:
positronium hat geschrieben:Doch, verstehe ich schon, aber ich kann hier mit den "alle Elemente" nicht recht etwas anfangen, weil man deren Form nicht kennt.
Nun ja, dem darf ich entgegenhalten: Aber die Form von "Nichts" bzw. "kein Element" bzw. "leere Menge" kennst du?
Das ist auch nicht ganz einfach festzulegen, aber m.M.n. einfacher als "alle Elemente".
seeker hat geschrieben:
positronium hat geschrieben: Aber dann stellt sich die Frage nach u.a. den komplexen Zahlen.
Daran habe ich schon gedacht und das ist kein Problem:
Da die komplexen Zahlen identisch mit RxR sind muss ich nur Regel Nr. 4 aufweichen bzw. abändern:
Ja, das geht, wenn man weiss, wo man hin will. Bei der klassischen Konstruktion stösst man aber von alleine durch Rechnung darauf.
seeker hat geschrieben:Aber ich ahne schon, wo du bedenken hast: Ich habe damit noch lange nicht die Rechenregeln usw. definiert.
Klar! Aber meinst du, dass das unmöglich ist? Da bin ich nicht sicher.
Das geht glaube ich schon, nur denke ich, dass diese schon durch das "alle Elemente" implizit vorhanden sein müssen.
seeker hat geschrieben:Wie auch immer:
Was mir bei dieser Perspektive eben besonders wertvoll ist, ist die ganz andere Sichtweise auf die Unendlichkeit.
Sie muss nicht künstlich irgendwie eingebaut oder begründet werden, sondern ist von Anfang an ganz natürlich da.
Ja, das ist tatsächlich eine positive Eigenschaft. Vor allem könnte man dadurch wohl auf eine rekursive Definition verzichten, sondern lediglich Auswahlkriterien angeben.
seeker hat geschrieben:Mindestens betrachten wir die Natur stets durch die rosarote Brille unserer Konzepte. Wir können gar nicht anders.
Deshalb ist es gut, wenn wir verschiedene Brillen zur Auswahl haben.
Ja!

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von Skeltek » 26. Mai 2014, 02:08

tomS hat geschrieben:Die letzte Frage kann man nicht diskutieren, ohne weitere Strukturen auf R einzuführen.
Dachte es geht um Mengen allgemein. Wenn da Zahlen drin sein sollen hat man ja schon auf einen Bruchteil der Klassen mit Wohlordnung eingeschänkt...
seeker hat geschrieben:
Skeltek hat geschrieben:Wenn du also sagst die Menge solle Zahlen enthalten, ist das bereits eine Einschränkung auf ein Netzwerk möglicher Relationen.
Richtig. Und mit Absicht.
Können wir nicht lieber die Menge aller möglichen logischen Operatoren wie "wenn", "dann", "möglich" oder irgendeine andere Menge behandeln? Ich finde bei Zahlen schränkt man sich auf einen so kleinen Bruchteil von Mathematik, Logik und Realität ein *g*
Ich sehe Zahlenmengen eher als Hilfsmittel um die Relationen der eigentlichen Mengen quantifizierbar in Beziehung zueinander setzen zu können und eine Arithmetik über die verketteten Verknüpfungen zu ziehen...
Erst im allgemeinen Kontext werden wahre Bedeutungen von "unendlich", "null", "Verkettung" usw klar kenntich gemacht. Bei unendlich z.B. als die Offenheit der Verkettung wegen fehlendem Terminus.
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  • Unentscheidbarkeit - Dieser Satz ist wahr.
  • Unvollständig - Aussage A: Es existiert nur ein Element A.
  • Widersprüchlich - Dieser Satz ist falsch.

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von seeker » 27. Mai 2014, 15:09

positronium hat geschrieben:
Da die komplexen Zahlen identisch mit RxR sind muss ich nur Regel Nr. 4 aufweichen bzw. abändern:
Ja, das geht, wenn man weiss, wo man hin will. Bei der klassischen Konstruktion stösst man aber von alleine durch Rechnung darauf.
Ja, ich kam zu den reellen Zahlen und auch zu den komplexen Zahlen nur deshalb, weil ich dort hin wollte und weil ich schon im Voraus eine Idee/Vorstellung von ihnen hatte. Das ist wahr.
Aber: Ist das denn nicht meistens so? Man hat z.B. die natürlichen Zahlen schon lange, lange verwendet, bevor man sie axiomatisch mit einem Formalismus "eingefangen" hat.
Die intuitive Vorstellung bzw. der Wunsch, was eine "natürliche Zahl" denn sein soll ging dem Formalismus also voraus und hat ihn geprägt.
Als die komplexen Zahlen "erfunden" wurden hatte das auch einen Grund. Das geschah auch nicht blind, sondern mit Intuition und Absicht.

Ich denke, die Frage ist: Was will man primär haben/machen?
Will man primär untersuchen, welche Struktur sich aus diesen und jenen vorgegebenen Regeln ergibt, dann sind die Regeln primär.
Will man primär untersuchen, welche Regeln man braucht um eine vorgegebene Ziel-Struktur zu erzeugen, dann ist die Struktur primär.
Erhält man die gewünschte Struktur mit einem Regelsatz nicht, dann probiert man eben den nächsten aus.

Mit meinem Vorgehen könnte ich doch im Prinzip auch beides machen, so wie sonst auch - oder?

@Skeltek: Lass es uns möglichst einfach halten, sonst verliere ich den Überblick. Es ist auch so schon schwer genug. Lieber wäre es mir eher noch, wenn man stattdessen die Dinge noch mehr vereinfachen würde, indem man auf die Sortierungsregeln verzichtet, die die Elemente der Mengen in einer Reihenfolge ordnen.
Ich würde hier lieber prinzipielle Dinge ans Licht holen als mich in Kompliziertheiten zu verirren.

Grüße
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von positronium » 27. Mai 2014, 20:04

seeker hat geschrieben:Aber: Ist das denn nicht meistens so? Man hat z.B. die natürlichen Zahlen schon lange, lange verwendet, bevor man sie axiomatisch mit einem Formalismus "eingefangen" hat.
Schon, aber gerade auf komplexe Zahlen kann man das meiner Meinung nach nicht einfach übertragen. Alle anderen Zahlen haben zumindest irgendwie eine natürliche Existenz; komplexe Zahlen erscheinen mir künstlicher. Deshalb dürfte die Vorstellung davon daher rühren, dass sie bereits mathematisch entdeckt wurden.
seeker hat geschrieben:Ich denke, die Frage ist: Was will man primär haben/machen?
Will man primär untersuchen, welche Struktur sich aus diesen und jenen vorgegebenen Regeln ergibt, dann sind die Regeln primär.
Will man primär untersuchen, welche Regeln man braucht um eine vorgegebene Ziel-Struktur zu erzeugen, dann ist die Struktur primär.
Ja. In der Hinsicht ist Deine Idee durchaus interessant, wenngleich ich meine Bedenken noch nicht abschütteln konnte.
Wenn man beispielsweise die Natur betrachtet, könnte ich mir Deinen Ansatz besser vorstellen, als wenn es um Mathematik geht. Dann kommt man nach Deinen Regeln, wie ich ja glaube, nicht unbedingt zu den Reellen Zahlen, aber das macht ja nichts. - Wer könnte behaupten, die Natur würde in R arbeiten?

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von tomS » 28. Mai 2014, 07:10

Ich denke, es ist ganz einfach.

Formal ist die gesamte Mathematik ein formales System aus Axiomen, Definitionen und daraus abgeleiteten Theoremen. Wir wissen, dass wir i.A. weder die Vollständigkeit noch die Widerspruchsfreiheit des Systems beweisen können.

Alles weitere bzgl. "Existenz", "Bedeutung", ob ein Objekt "natürlich" oder "künstlich" ist, ob man nur endliche und konstruierbare Objekte zulässt oder nicht, ... ist Gegenstand der Meta-Mathematik. Man kann - trotz unterschiedlicher persönlicher oder philosophischer Sichtweisen - formal die selbe Mathematik betreiben.

Wenn ein Maler kein Lila mag, kann er für einen Kunden trotzdem dessen Haus lila anstreichen. Er wird es nicht mögen, aber es ist nicht falsch.
Gruß
Tom

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von seeker » 28. Mai 2014, 08:34

Da magst du Recht haben, Tom.

Aber zu dieser Erkenntnis muss man erst einmal kommen. Das kann lange dauern und halte ich nicht für einfach.
Gerade die einfachsten Erkenntnisse sind manchmal am schwierigsten zu erlangen.
Und selbst wenn man glaubt diese Einfachheit verstanden zu haben, hat man es evtl. doch noch nicht bzw. noch nicht tief genug bzw. hat es sich noch nicht genügend in einem gesetzt.

In den Bereich hineinspielen tut auch diese Geschichte: "Formal ist die gesamte Mathematik ein formales System"

Die Buchhalter-Denker werden vielleicht meinen, dass das im Prinzip alles wäre, was die Mathematik ist: Formalismus.
Jedoch ist Mathematik auch etwas, was mit Absicht und Intuition zu bestimmten Zwecken von uns betrieben wird.
Mathematik ist nicht nur ein totes Ding 'an sich', sondern auch -wenn betrieben- ein lebendiger Prozess.

Und: Man kann nicht jede beliebige 'Mathematik' frei betreiben wie man Lust hat (und es dann in jedem Fall noch mit Recht "Mathematik" nennen).
Es gibt immer einen Kosten/Nutzen-Hintergrund: "Wenn ich das so und so definiere, dann bekomme ich hier und da Probleme/Einschränkungen, wenn ich es anders mache, bekomme ich andere Probleme, aber dies und das geht dann besser. Was ist mir lieber?"
Das ist hier vielleicht auch unterschwellig Thema: Was bringt es mir und was kostet es mich, wenn ich versuche die Dinge herumgedreht anzugehen?
positronium hat geschrieben:Schon, aber gerade auf komplexe Zahlen kann man das meiner Meinung nach nicht einfach übertragen. Alle anderen Zahlen haben zumindest irgendwie eine natürliche Existenz; komplexe Zahlen erscheinen mir künstlicher. Deshalb dürfte die Vorstellung davon daher rühren, dass sie bereits mathematisch entdeckt wurden.
Ich weiß nicht was in Leonhard Euler vorging, als er die imaginäre Einheit einführte. Aber irgendeine Absicht wird er damit ganz sicher verfolgt haben.
Die imaginären Zahlen wurden m.E. auch nicht 'entdeckt', so wie man die Jupitermonde entdeckt hat. Sie wurden vielmehr ersonnen bzw. zunächst als Idee geboren.
Entdeckt wurde, dass es funktioniert und wie es funktioniert, wenn man die imaginären Zahlen einführt.

Beste Grüße
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von tomS » 28. Mai 2014, 09:47

Ich sage ja nicht, dass ALLES einfach ist. Aber man kann sich auf jeden Fall überlegen, dass es einerseits einen formalen Kern eines mathematisches Gebietes, und andererseits Meta-Mathematik im Sinne von Interpretation, Bedeutung, Anwenden und Entwickeln, ... gibt. Wenn man das mal akzeptiert hat, dann hat man damit noch kein einziges der Probleme im zweiten bereich wirklich gelöst, aber man kann den ersten Bereich einfach betreiben. D.h. man ist in der praktischen Anwendung und sogar in der reinen Mathematik frei von den o.g. Problemen.

Die Geschichte der imaginären Zahlen geht mit Gerolamo Cardano (1545) übrigens deutlich weiter zurück als nur bis zu Euler:

http://de.wikipedia.org/wiki/Komplexe_Zahl#Geschichte
http://de.wikipedia.org/wiki/Cardanische_Formeln

Insbs. war damals schon bekannt dass bei der kubischen Gleichung auch dann komplexe Zahlen (als Zwischenschritt) auftreten, wen alle drei Lösungen reell sind.
Gruß
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von Skeltek » 28. Mai 2014, 10:03

positronium hat geschrieben:
seeker hat geschrieben:Aber: Ist das denn nicht meistens so? Man hat z.B. die natürlichen Zahlen schon lange, lange verwendet, bevor man sie axiomatisch mit einem Formalismus "eingefangen" hat.
Schon, aber gerade auf komplexe Zahlen kann man das meiner Meinung nach nicht einfach übertragen. Alle anderen Zahlen haben zumindest irgendwie eine natürliche Existenz; komplexe Zahlen erscheinen mir künstlicher. Deshalb dürfte die Vorstellung davon daher rühren, dass sie bereits mathematisch entdeckt wurden.
Es ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, seine bereits intuitiv entwickelten Gedanken auszuformulieren. Außerdem muss sichergestellt werden, daß jeder beim Gedanken an Zahlen das gleiche Konstrukt im Kopf hat.
Bei den einen sind es Äpfel/Objekte, bei mir Volumina, bei seeker Fische oder Ereignisse. Andere lernen lediglich die Symbole und Rechenregeln in der Grundschule auswendig und assoziieren den "Mengen"begriff erst später.
Es bleibt letztenendes ein Konstrukt im eigenen Kopf!

Gerade die intuitiv als völlig offensichtlich und trivial richtigen Konzepte haben sich zum Teil als völlig falsch herausgestellt, als manche erst vor ein paar Jahrzehnten anfingen die einfachsten Sachen beweisen zu wollen.

Die komplexen Zahlen sind einfach nur die unausgesrochene Umkehrung von einer Abbildung mit zwei Argumenten.
Man kann schließlich von -1 nur dann die Wurzel ziehen, wenn die -1 bereits ein zweidimensionales Gebilde ist.
Zuletzt geändert von Skeltek am 28. Mai 2014, 10:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von positronium » 28. Mai 2014, 10:15

seeker hat geschrieben:Die imaginären Zahlen wurden m.E. auch nicht 'entdeckt', so wie man die Jupitermonde entdeckt hat. Sie wurden vielmehr ersonnen bzw. zunächst als Idee geboren.
Entdeckt wurde, dass es funktioniert und wie es funktioniert, wenn man die imaginären Zahlen einführt.
Dazu kann ich leider nichts schreiben. Mag sein, dass Du recht hast. - Ich kann ja im wesentlichen nur Schulmathematik, und dort wird einem eben nur gesagt, wie man rechnet, nicht was dahinter steckt. Was ich geschrieben habe, beruht also primär auf Intuition.

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von tomS » 28. Mai 2014, 12:57

Man kann nicht abschließend sagen, wie sich das verhält: mathematische Objekte, Strukturen, Theoreme ...
... werden entdeckt
... konstruiert
... lediglich benutzt
...
Das ist Ansichtssache und entzieht sich jeglicher Beweisführung
Gruß
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von Skeltek » 28. Mai 2014, 13:04

Man kann nur konstruieren was schon vorher als widerspruchsfrei festgestellt/entdeckt hätte werden können.
Das ist äquivalent.
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von seeker » 28. Mai 2014, 13:12

tomS hat geschrieben: man kann sich auf jeden Fall überlegen, dass es einerseits einen formalen Kern eines mathematisches Gebietes, und andererseits Meta-Mathematik im Sinne von Interpretation, Bedeutung, Anwenden und Entwickeln, ... gibt. Wenn man das mal akzeptiert hat, dann hat man damit noch kein einziges der Probleme im zweiten bereich wirklich gelöst, aber man kann den ersten Bereich einfach betreiben. D.h. man ist in der praktischen Anwendung und sogar in der reinen Mathematik frei von den o.g. Problemen.
tomS hat geschrieben:Alles weitere bzgl. "Existenz", "Bedeutung", ob ein Objekt "natürlich" oder "künstlich" ist, ob man nur endliche und konstruierbare Objekte zulässt oder nicht, ... ist Gegenstand der Meta-Mathematik. Man kann - trotz unterschiedlicher persönlicher oder philosophischer Sichtweisen - formal die selbe Mathematik betreiben.

Wenn ein Maler kein Lila mag, kann er für einen Kunden trotzdem dessen Haus lila anstreichen. Er wird es nicht mögen, aber es ist nicht falsch.
Gut gesagt. Ich plädiere dabei nur für eines: Es ist wichtig, dass das möglichst vielen Leuten bewusst wird und auch bleibt!

Denn wenn man dieses Bewusstsein nicht hat, dann kann es leicht passieren, dass das, was man tut, einen einschränkenden Einfluss auch auf das Denken hat:
"Wenn dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, dann sehen alle Probleme nach Nägeln aus." ...und wenn man lange genug überall nur Nägel sieht, vergisst man evtl. irgendwann, dass es auch noch etwas anderes als Hämmer und Nägel geben kann. Der Maler in deinem Beispiel könnte irgendwann, wenn er sein halbes Leben lang Häuser lila angestrichen hat, vergessen, dass es auch noch andere Farben als lila gibt und anfangen zu glauben, dass alles lila sein muss. Das wäre aus meiner Sicht nicht gut.



Noch zu meinem Kosten/Nutzen-Punkt:

Mir ist aufgefallen, dass meine aufgestellte Regel Nr. 1 ("1. Meine Menge soll alle Elemente enthalten, die sie enthalten kann bzw. darf", die ja den Sinn hat nicht mit der leeren Menge anfangen zu müssen) zu etwas führt, das man "Allmenge" nennt (= die Menge aller Mengen).

Das hat seinen Preis, denn man kommt mit Cantor bzw. Russell in Konflikt, denn gäbe es eine Allmenge, dann könnte man ja die Potenzmenge davon bilden und bekäme eine Menge, die mächtiger als die Allmenge ist, was einen Widerspruch darstellt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Naive_Mengenlehre

Das heißt aber m.E. nicht, dass es prinzipiell keine Allmenge geben kann, wenn ich es eben doch so will bzw. als Ausgangspunkt nehme.
Es heißt nur, dass ich nicht alles haben kann.

Es heißt m.E. vielmehr, dass ich entweder
a) mit diesem Widerspruch leben muss
oder
b) auf die Allmenge verzichten muss
oder
c) auf Cantor verzichten muss
oder
d) zusätzlich definieren muss, dass von der Allmenge keine Potenzmenge gebildet werden kann/darf

Den Preis a) bin ich nicht bereit zu bezahlen. Über b), c) oder d) muss man m. E. nachdenken.
Immerhin löst sich die Problematik in der Praxis ja sofort auf, wenn ich die Ausgangsmenge (Allmenge) durch die weiteren Regeln einschränke.

Was man interessanterweise aber auch kennt und im Gegensatz zur Allmenge auch heute noch akzeptiert ist die "Allklasse".
http://de.wikipedia.org/wiki/Allklasse
http://de.wikipedia.org/wiki/Klasse_%28Mengenlehre%29

...wobei ich da leider noch nicht ganz durchsteige, wo genau da der Unterschied liegt und was das dann alles bedeutet?
Das muss ich mir erst noch genauer klar machen.
Vielleicht kann mir da auch jemand helfen?

Viele Grüße
seeker
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von positronium » 28. Mai 2014, 13:45

tomS hat geschrieben:Das ist Ansichtssache und entzieht sich jeglicher Beweisführung
Heisst das, dass Du die Mathematik grundsätzlich unabhängig von deren Anwendungsbereich siehst? Ich sehe Mathematik in der Regel als zumindest teilweise im Anwendungsbereich enthaltenes, grundsätzliche Logik formulierendes Regelwerk, mit dem man auf diesem arbeiten kann. Von daher könnte ich mir vorstellen, dass seekers Mengendefinition für manche Bereiche, wie die oben angesprochenen Finanzen, möglicherweise sinnvoll sein könnte. Man könnte mit allen Geldbeträgen von 0 bis zum letzten Cent, der jemals geprägt wurde, operieren. Dort wird man, abgesehen von ganz abstrakten Rechnungen, wohl nie auf die Wurzel einer negativen Zahl stossen.

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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von Skeltek » 28. Mai 2014, 14:19

Moment mal Seeker...
Vor kurzem habe ich meine Betrachtungsweise der "leere Menge"-Notation verändert.
Ich dachte die leere Menge steht stellvertretend für das komplemenär der restlichen Mengenelemente?
Sie kann als Verknüpfung aus der Menge heraus nach außen aufgefasst werden wenn man will.
Dabei spielt es eine Rolle ob sie alleine steht oder als Element einer Menge.
M={{•} }; {•} ist hier Allmenge, M ist leer.
N={•}; {•} ist hier Nix-Menge
M=N
Mann kann es so auffassen, wenn man erstmal Namensgebung bzw terminologische Bezeichnung von {•} ignoriert !

Übrigens hat die Allmenge meiner Meinung nach keine Elemente, da die Genese von Elementen ein absplittern eines Teils von einem ganzen ist. Allmenge==1==massiver Würfel/Kugel/Kreis wasauchimmer. Aus dieser können imho durch eine Struktur Fragmente erst "herausgeschlagen/herauskristallisiert" werden.
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Re: Mengen, einmal anders herum

Beitrag von tomS » 28. Mai 2014, 20:56

positronium hat geschrieben:
tomS hat geschrieben:Das ist Ansichtssache und entzieht sich jeglicher Beweisführung
Heisst das, dass Du die Mathematik grundsätzlich unabhängig von deren Anwendungsbereich siehst?
Ja!

Und ich denke, das sehen die meisten Mathematiker genauso.

Der wesentliche Grund ist, dass (zumindest meiner Einschätzung zu folge) die reine, anwendungsfreie Mathematik in weiten Bereichen schon seit langer Zeit der Anwendung vorausgeht, bzw. dass (noch) gar keine Anwendungen bekannt sind.
Gruß
Tom

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